Impressionen aus Jahnkes Weihnachtsbäckerei

Wenn die Weihnachtszeit vor der Tür steht, dann stellen sich die Verantwortlichen der Pflegestation Jahnke in schöner Regelmäßigkeit die Frage: Mit welcher kleinen Aufmerksamkeit wollen wir unsere Patienten zu Weihnachten überraschen? Eine Geste soll es stets sein, die mit Weihnachten in Verbindung gebracht wird und von Herzen kommt. Eine anspruchsvolle Aufgabe, zumal in diesem Jahr auch das traditionelle Projekt Patientenkalender beendet wurde (siehe: Artikel in Birkenblatt Nr. 123). Doch gerade das Stichwort Patientenkalender sollte die Suchenden auf die richtige Spur zu den Weihnachtsüberraschungen bringen.

Als Anni Kuffer-Jahnke und Werner Jahnke vor über einem Jahr auf einer Urlaubsreise in Alaska waren, fielen ihnen Porzellantassen mit Motiven aus der Region auf. Ein pfiffiges Souvenir, dachten sie damals – und plötzlich kam ihnen ein Gedanke. Wir könnten ja, so überlegten sie, Tassen mit weihnachtlichen Motiven bedrucken lassen oder aber – mit schönen Motiven unserer Kalender. Nach internen Diskussionen entschied sich die Geschäftsführung schließlich für vier Fotos aus verschiedenen Patientenkalendern, die auf den Tassen abgebildet sein sollten.

Somit war der erste Schritt getan. Tassen zu bestellen und sie zur je gleichen Anzahl mit den vier Motiven bedrucken zu lassen, war keine wirkliche Herausforderung. Aber wollte man tatsächlich nur Tassen alleine als Weihnachtsgeschenk präsentieren? Nein, beschloss das Ehepaar Jahnke, Tassen haben einen einladend großen Hohlraum. Der ruft geradezu danach, gefüllt zu werden.

Aber mit was?

Nun, es war Vorweihnachtszeit. Was gehört zu Weihnachten wie der Tannenbaum und Geschenke? Klarer Fall: Weihnachtsgebäck. Und woher bekommen wir ausreichend Gebäck für eine stattliche Anzahl von Tassen? Ratlosigkeit in der Runde, ehe die naheliegende, doch leicht beunruhigende Antwort fiel: Wir können ja selbst backen. Und wer backt die Plätzchen? Wir beide, sagte das Ehepaar Jahnke.

Es gibt keine verbindliche Aussage von Anni Kuffer-Jahnke und Werner Jahnke, ob sie sich damals darüber im Klaren waren, welche Konsequenzen ihre mutige Entscheidung mit sich bringen würden. Die Tatsache, dass sie das Unterfangen bei sich zuhause starten würden, war vermutlich sofort ins Kalkül gezogen worden. Doch dann kamen die Fragen: Was backen wir überhaupt? Wie teilen wir uns die Arbeit? Und wie viele Plätzchen brauchen wir – und wie viel Zeit müssen wir dafür veranschlagen? Die erste Frage ließ sich relativ schnell beantworten. Anni Kuffer-Jahnke hatte vor vielen Jahren von ihrer Mutter ein altes Familienrezept von Buttergebäck geerbt, das sie schon mehrfach erfolgreich ausprobiert hatte. Buttergebäck oder Butterplätzchen sind ein Klassiker der Weihnachtsbäckerei in ganz Deutschland, da würden sie kein unnötiges Risiko eingehen.

Buttergebäck aus einem süßen Mürbeteig hat zudem den Vorteil, dass man die ausgestochenen Plätzchen in vielen Variationen bestreichen und verzieren kann.

Das Abenteuer Weihnachtsbäckerei begann am ersten Adventswochenende und sollte sich bis kurz vor Weihnachten ausdehnen. Zumeist am späten Nachmittag begann Anni Kuffer-Jahnke mit dem Zusammenstellen und Rühren des Teigs: Mehl, Butter, Zucker und Ei sowie weitere Zutaten, die an dieser Stelle nicht verraten werden. Das Familienrezept untersteht gewissen Geheimhaltungsverpflichtungen. Nach dem Kneten des Teigs per Hand (alle, die das jemals eigenhändig getan haben, wissen, wie viel Kraft das erfordert) und einer Kühlphase im Kühlschrank wurde der Teig ausgerollt und die Ausstechförmchen kamen zum Einsatz.

Bis zu diesem Zeitpunkt lag die Hauptarbeit bei Anni Kuffer-Jahnke, bei der Filigranarbeit half dann der Ehemann. Der gerollte Teig wurde ausgestochen, auf ein Brett gelegt und mit Zuckerguss und Streusel verziert. Vor allem letztgenannte Tätigkeit wurde zum wahren Fachgebiet von Werner Jahnke. In fast meditativer Weise schwang er den Plätzchenpinsel für den Zuckerguss und belegte das Gebäck mit Streuseln – und freute sich dabei, anderen Menschen eine Freude bereiten zu können. „Viele unserer Patienten sind alleinstehend, oft einsam und teilweise auch noch bettlägerig“, umschreibt er deren Situation. „Wir wollten mit unserer Plätzchenaktion diese Menschen an der alten Tradition des Schenkens und Genießens von Weihnachtsgebäck teilhaben lassen und sie womöglich auch an die Zeit zurückerinnern, als sie selbst noch in der Adventszeit gebacken haben.“

Allerdings liegt der Ursprung, zu Weihnachten Plätzchen zu backen, noch viel weiter zurück. Bevor sich das Backen innerhalb der Familien etablierte, wurden schon im Mittelalter in den Klöstern Weihnachtsbrote und -plätzchen gebacken. Zum einen um den Festtag der Geburt Christi zu ehren, aber auch, weil sich nur Adlige und die Mönche die teuren Gewürze und Zutaten leisten konnten. Gewürze wie Zimt, Nelken, Muskat, Ingwer und Kardamom kamen aus dem Orient. Auch Rohrzucker war bis zur Entdeckung des Rübenzuckers im 18. Jahrhundert teuer. Vermutlich wurde das Weihnachtsgebäck aus den Klöstern unter den Armen verteilt oder nach dem Weihnachtsgottesdienst an die Kirchgänger.

Die Plätzchen waren also liebevolle Geschenke für arme Menschen zu Ehren der Geburt Jesu gedacht. Die winterliche Backtradition insgesamt besteht jedoch schon seit der Zeit vor Christi Geburt.

Zurück zur Jahnke-Weihnachtsbäckerei: Sage und schreibe 4.000 Plätzchen hat das Ehepaar Jahnke fast täglich, nicht nur an den Wochenenden, für die Patienten der Pflegestation gebacken. Doch die Arbeit war nach dem letzten Blech im Ofen und dem letztmaligen Bestreichen mit Zuckerguss und Beilage noch immer nicht getan. Die Kekse mussten schließlich noch in die Tassen – und das mit angemessen weihnachtlicher Dekoration.

Waren Sie mal in einem Geschenkeartikelladen und wollten kleine Cellophantüten kaufen? Sind Sie dort auch so entgeistert angeschaut worden wie Jahnkes? Man kann dreißig, wenn man Glück hat vielleicht fünfzig Tüten erwerben. Was blieb den beiden Weihnachtsbäckern also übrig, als in mehreren Geschäften vorstellig zu werden, um dort die jeweiligen Bestände an Tüten aufzukaufen. In diese Tüten kam nun das anteilige Gebäck und obendrauf noch ein Dominostein. Eine Schleife wurde um die Tütchen gebunden, an der ein handgeschriebenes Weihnachtskärtchen (in bewährter akkurater Schönschrift unserer Mitarbeiterinnen) angebracht war. Zu guter Letzt wurden die Tüten vorsichtig in die Tassen geschoben. In dieser Zusammenstellung wurden die Tassen als kleine Überraschung an alle Patienten der Pflegestation Jahnke überreicht.

Verteilt wurden die Tassen in der Woche vor Weihnachten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei deren Pflegeeinsätzen. Die Jahnke-Weihnachtsbäckerei konnte beruhigt schließen und im Bewusstsein des Geleisteten selbst das Weihnachtsfest begehen.

„Die Aktion war schon eine logistische Herausforderung“ erzählt Anni Kuffer-Jahnke einige Wochen später. Doch beide betonen auch, dass die Arbeit zusammen sehr viel Spaß gemacht habe und die Vorfreude auf die Gesichter der Patienten zur eigenen Freude beigetragen habe. „Und wir hoffen natürlich inständig, dass ihnen unsere Plätzchen geschmeckt haben“, wünscht sich Werner Jahnke.          

VH   

Foto: Werner Jahnke
Anni Kuffer-Jahnke bei der Vorbereitung des Teigs
Foto: Anni Kuffer-Jahnke
Werner Jahnke beim Verzieren des Buttergebäcks