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Impfpflicht – Ist sie zulässig und wen könnte sie betreffen?

 

Seit Beginn der Corona-Pandemie vor knapp zwei Jahren war sich die Politik in Deutschland einig: Eine Impfpflicht gegen das Virus soll es nicht geben. Als im Sommer andere europäische Staaten laut über eine Impfpflicht nachdachten, lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel sie öffentlich ab. Bis heute spricht sich die geschäftsführende Regierung gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Nun deutet sich ein Kurswechsel an. Die neue Regierung, die so genannte Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP, die vermutlich noch im Dezember mit ihrer Arbeit beginnen wird, hat sich bereits auf eine Teilimpfpflicht verständigt. Ihr Sieben-Punkte-Programm gegen die Verschärfung der Corona-Krise sieht unter anderem vor:

- Einrichtung eines ständigen Krisenstabs von Bund und Ländern im Kanzleramt, in dem ebenso eine Expertengruppe aus Virologen, Epidemiologen, Soziologen installiert werden soll.

- Die Impfkampagne soll mit mobilen Teams, Ärzten, Apothekern und Bundeswehr-Impfteams weiter vorangebracht werden.

- Alten- und Pflegeheime sollen besser geschützt werden.

-  Eine Milliarde Euro soll für die Beschäftigten in der Pflege als Corona-Bonus fließen.

- Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht soll schnell kommen.

Was aber ist überhaupt eine Impfpflicht? Und was würde ihre Einführung für uns alle bedeuten?

Eine Impfpflicht liegt per Definition dann vor, wenn eine Schutzimpfung für Menschen oder Tiere gesetzlich vorgeschrieben ist. Nicht zu verwechseln ist eine Impfpflicht allerdings mit einem Impfzwang. Denn Menschen können sich trotz einer möglichen Verpflichtung gegen eine Impfung entscheiden. Sie begehen damit keine Straftat, aber eine Ordnungswidrigkeit. Konkret bedeutet das für diejenigen, die sich hartnäckig weigern, sich impfen zu lassen, dass sie im Falle einer allgemeinem Impfpflicht ein Bußgeld nach dem Infektionsschutzgesetz zahlen müssten. Von bis zu 2.500 Euro ist aus dem Bundesgesundheitsministerium zu hören. Wiederholte Bußgelder könnten möglich sein.

Neu ist die Diskussion um eine Impfpflicht hierzulande nicht. Schon im Vorfeld der 2002 eingeführten Verpflichtung für eine Masernimpfung für Kinder, Betreuer in Kitas und Schulen und Mitarbeiter*innen in Gesundheitseinrichtungen, die nach 1970 geboren sind, gab es teilweise hart geführte Diskussionen und Auseinandersetzungen. Letztendlich beschloss die Bundesregierung mit dem Masernschutzgesetz, dass ab März 2002 mindestens zwei Masern-Schutzimpfungen oder ein ärztliches Zeugnis über eine ausreichende Immunität gegen Masern nachgewiesen sein müssen. Für Menschen, die in den genannten Einrichtungen arbeiten und keine Impfung haben, kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Wenn sie nicht in anderen Bereichen eingesetzt werden können, für die keine Masern-Impfpflicht gilt, ist sogar eine Kündigung denkbar.

Und jetzt soll es bei der Corona-Schutzimpfung ähnlich laufen? Gibt es dafür oder für eine Pflichtimpfung für einzelne Berufsgruppen überhaupt eine rechtliche Grundlage?

Die Antwort ist nicht einfach. Bei der Frage gilt es, zwei prinzipiell wichtige Grundrechte gegeneinander abzuwägen, denn diese stehen sich konkurrierend gegenüber: das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, welches bei einer Impfplicht verletzt würde, und das Recht, eine Impfpflicht „für bedrohte Teile der Bevölkerung“ einzuführen, „wenn sich Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht anders schützen lassen und schwere Verläufe bei vielen Menschen nicht anders verhindert werden könnten.“

Wahrscheinlich wird dieses schwierige Abwägen in letzter Konsequenz gerichtlich entschieden werden müssen. Gegen die Masern-Impfpflicht liegen inzwischen nämlich vier Verfassungsbeschwerden vor. Eine Entscheidung darüber wurde vom Bundesverfassungsgericht für das Jahr 2021 erwartet, wird jedoch erst 2022 fallen. Interessant wird dabei unter anderem sein, ob es Ausnahmen von einer Impfpflicht geben wird, etwa für Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen dürfen. Es ist stark anzunehmen, dass dieses Urteil aus Karlsruhe auch großen Einfluss auf die Rechtwirksamkeit einer möglichen Corona-Impfpflicht haben wird.

Doch wie kam es überhaupt zu dem gesellschaftlichen Sinneswandel? Laut ZDF-Polit-barometer vom 26.11.2021 sprachen sich 69 Prozent dafür aus, dass sich jede/r gegen Corona impfen lassen muss. Im Juli  waren nur33 Prozent für eine allgemeine Impfpflicht, 64 Prozent waren dagegen.

Der Druck kam aus dem zusehends überlasteten Gesundheitswesen. Es war die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die im Oktober 2021 als erstes Schwergewicht des deutschen Gesundheitswesens forderte, dass der Deutsche Ethikrat eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen gegen COVID-19 prüfen möge. Die Ärztevereinigung Marburger Bund schloss sich am 6. November 2021 der Forderung an, eine Corona-Impfpflicht für Menschen einzuführen, die „in medizinischen Einrichtungen, Alten- und Pflege-heimen sowie Schulen und Kindertagesstätten tätig sind.“ Zudem kommt: Seit die österreichische Regierung am 19. November 2021 eine COVID-Impfpflicht ab dem 1. Februar 2022 beschlossen hat, scheint das Thema enttabuisiert. Selbst wenn die Impfpflicht kommen wird, dann wohl für die vierte Welle zu spät. Ziel kann es dann nur sein, eine fünfte Welle zu verhindern.            

VH

                                                           

                                                                   

Foto: Commons, Robin Müller

Gegen eine Corona-Impfpflicht gibt es Widerstand