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Lernen aus der Vergangenheit – DIP fordert „Masterplan Pflege“
Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP-Institut), fand Ende des letzten Jahres markige Worte für die Pläne der neuen Bundesregierung in Bezug auf die Pflege: Von „Entsetzen“ sprach der Professor für Pflegewissenschaften beim Studium der Hinweise zur Pflege im Sondierungspapier. Das sei „bestenfalls alter Wein in neuen Schläuchen“ und werde mitnichten ausreichen, die gravierenden Probleme in der Pflege zu lösen. Die im Papier aufgeführten Schlagwörter wie bessere Arbeitsbedingungen, angemessene Vergütung, mehr Anwerbung von Pflegepersonal aus dem Ausland, Entbürokratisierung, Digitalisierung und Personalbemessung seien ja dort „durchaus zurecht verwendet worden. Aber das alles hören wir doch schon seit Jahren und kommen doch nicht von der Stelle.“
Nach Aufbruchstimmung und Neustart für die Pflege klinge das nicht, bemängelt der Pflegefachmann, der stattdessen einen „Masterplan Pflege“ vorschlägt. Der klingt interessant und vielversprechend, ist aber extrem teuer. „Das wird Milliarden kosten“, gibt Weidner zu, sei aber angesichts des drohendes Kollapses alternativlos. In einer Pressemitteilung des DIP-Instituts stellte der Direktor dann auch den Masterplan ausführlich vor, den das gesamte Institutsteam ausgestellt und der neuen Bundesregierung als Arbeitsgrundlage vorgelegt hatte. An dieser Stelle wollen wir das Vierpunkte-Programm zusammenfassen und präsentieren.
1. Arbeitsgruppe Masterplan Pflege einsetzen: Gleich zu Beginn der Arbeit der neuen Bundesregierung soll eine „Arbeitsgruppe Masterplan Pflege“ mit Fachleuten aus dem Pflege- und Gesundheitswesen besetzt werden. Die Arbeitsgruppe soll in erster Linie erkenntnisgeleitet und nicht interessensorientiert zukunftsfähige Wege für eine Neuaufstellung der Pflege im bundesdeutschen Gesundheitswesen ausloten, erarbeiten und beschreiben. Ein Ziel muss dabei sein, die gesundheitliche Versorgungssicherheit der Bevölkerung durch eine systematische Neuaufstellung und Aufwertung der beruflichen Pflege zu erreichen. Neben der Schaffung eines Innovationsklimas für die Pflege soll es um eine Weiterentwicklung der Pflege zur eigenständigen Gesundheitsprofession sowie um Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Vergütung in der Pflege gehen.
2. Investitionen in Innovationen tätigen: Wie bei allen anderen gesellschaftlich relevanten Herausforderungen fallen die Lösungen nicht vom Himmel, sondern werden durch Investitionen in Forschung, Wissenschaft und Innovation herbeigeführt. Das soll ab sofort auch für die berufliche Pflege in Deutschland gelten. Innerhalb der kommenden Legislatur muss daher eine leistungsfähige Pflegeforschungsinfrastruktur hierzulande aufgebaut werden. Die vorhandenen Möglichkeiten zum qualifizierenden Pflegestudium müssen zugleich finanziell hinreichend ausgestattet und damit attraktiver für Studierende werden. Innovation in der Pflege und ihre Akademisierung gehören zusammen.
3. Pflege zur eigenständigen Gesundheitsprofession weiterentwickeln: In den vergangenen Jahren wurden bereits Weichen gestellt, um die berufliche Pflege in Deutschland, so wie es international bereits üblich ist, zu einer eigenständigen Gesundheitsprofession auf Augenhöhe neben Medizin und anderen Gesundheitsakteuren weiterzuentwickeln. Dazu zählen pflegerische Vorbehaltsaufgaben, eigenständige Heilkundeausübung, zum Beispiel bei chronischen Erkrankungen, sowie erweiterte Kompetenzen bei der Verordnung von Hilfsmitteln und Medikamenten. Mehr Verantwortung heißt dann auch Karrieremöglichkeiten in der Pflege und zunehmende Attraktivität.
4. Arbeitsbedingungen und Vergütungen verbessern: Selbstverständlich müssen die Anstrengungen um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Weiterentwicklung der Vergütungen in der beruflichen Pflege durch eine bundesweite Fachkräfte- und Qualifizierungsoffensive fortgesetzt und intensiviert werden. Im Masterplan Pflege für Deutschland sollen dazu neue Anregungen und Ansätze entwickelt und angeschoben werden.
Keine Frage, die Aussagen von Prof. Frank Weidner haben in der deutschen Pflegelandschaft großes Gewicht. Seit Gründung des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung ist Weidner der Direktor. Das gemeinnütziges Institut an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln finanziert sich weit überwiegend aus Projektmitteln. Zu seinem Angebot gehört das gesamte Spektrum der Forschung, Entwicklung, Evaluation, Beratung, wissenschaftlichen Begleitung und Gutachtenerstellung im Pflege- und Gesundheitswesen.
Doch so ganz aktuell ist Weidners Plan wohl nicht. Bereits 2017 forderte er einen „Masterplan Pflege“, damals war die Forderung an die Große Koalition gerichtet, jetzt an die Ampel-Koalition. Inhaltlich hat sich seitdem wenig geändert – was nicht heißen soll, dass der Plan dadurch hinfällig geworden ist. Im Gegenteil: die Branche hat nach wie vor ein Personalproblem. In der Pflege, insbesondere bei der schlecht bezahlten Altenpflege, droht ein Fachkräfte-Notstand. Und die Zahl der Pflegebedürftigen steigt immer weiter: 2015 waren knapp 2,9 Millionen Menschen pflegebedürftig; bis 2060 wird mit 4,7 Millionen gerechnet. Bis 2030 werden insgesamt 180.000 Pflegefachkräfte gebraucht, schätzen Experten.
Vor fünf Jahren schon sagte Weidner: „Wir brauchen zwölf Milliarden Euro jährlich, um das deutsche Pflegesystem aus der Krise zu führen. „Wenn die Politik heute drei oder vier Milliarden präsentiert, dann muss ich nicht einmal wissen, was sie vorhat. Das reicht nämlich nicht.“
VH