Gestern und Heute

Levon Melker erzählt

 

Hoch über den Dächern Berlins wohnt Jahnke-Patient Levon Melker*. Schon als 15-Jähriger ist 1963 er in den 16. Stock eines Hochhauses in der Lietzenburger Straße gezogen. Mit seiner Mutter lebte er dort über mehrere Jahrzehnte zusammen, nach ihrem Tod 2013 wohnt er in der schönen 2-Zimmer-Wohnung alleine. Geboren wurde er am 28. September 1948 in der elterlichen Wohnung in der Muskauer Straße. Den Nachnamen Melker erhielt der kleine Levon von seinem Vater, einem Armenier, der im Alter von 18 Jahren als Austauschschüler nach Berlin gekommen war und dort geheiratet hatte. Nach der Geburt von Levon zog der Vater mit einem Gemüsekarren durch Kreuzberg und ernährte damit die Familie. Die Mutter steuerte als Platzanweiserin in einem Kino noch zum Einkommen bei, später dann sollte sie als Kassenaufsicht im KaDeWe arbeiten.

Nach der Schulzeit, die Levon Melker ebenfalls in Kreuzberg verbrachte, startete er sein Berufsleben als Hotelpage. Im berühmten Hotel Zellermayer am Flughafen Tempelhof begegnete er vielen Berlinreisenden, darunter so manch prominenten Personen. Zu seinem kurzen Intermezzo als Fleischerlehrling sagt er heute nur: „Das musste ich aufgeben, die Arbeit hat mich angewidert, ja angeekelt.“ Also ging er zurück ins Hotelfach, zunächst ins Hotel Berlin am Lützowplatz, später noch ins Hotel Alsterhof an der Augsburger Straße, in dem er in der Küche mithalf.

Doch in der Hotellerie verdiente man damals recht wenig, da lockten die Fabriken trotz der nachteiligen Akkordarbeit mit mehr Geld. Also beschloss Levon Melker, zur Firma Verpoorten als Arbeiter am Fließband zu wechseln. Vom dort produzierten Eierlikör bekamen die Arbeiter ab und an eine Flasche geschenkt, die brachte er dann seiner Mutter nach Hause. Doch die schwere Arbeit als Packer am Band führte zu heftigen Rückenleiden, weshalb er sogar vorzeitig berentet wurde.

Verlobt war Levon Melker auch einmal, zu Anfang der 70er Jahre, doch zu einer Hochzeit konnte er sich weder damals noch zu einem späteren Zeitpunkt durchringen. „Meine große Liebe wurde nun mal die Musik“, lacht er, „und der blieb ich treu.“ Über viele Jahre sang er im Musikensemble REZ, einem Sextett, das von Gitarre und Klavier unterstützt wurde. „Unser Repertoire reichte von Schlager bis zu Evergreens aus Operetten und Opern“, erzählt er. Aufgetreten wurde hauptsächlich in Senioreneinrichtungen.

Zur Pflegestation Jahnke kam Levon Melker vor rund einem Jahr, das St. Elisabeth Krankenhaus hatte ihn dorthin vermittelt. Dreimal täglich erhält er nun Besuch, zumeist kommen Anett, Agata und Isabela, um ihm Spritzen und weitere Medikamente zu verabreichen. Auf diese Besuche freut er sich, denn ansonsten bietet sein Leben nicht mehr so viel Abwechslung. Es bleibt das Träumen von den jährlichen Italienreisen mit seinem besten Freund Sergio – und der Musik mit dem Ensemble REZ. 

 VH

*Name wurde von der Redaktion geändert

 

Levon Melker in seinem Wohnzimmer über den Dächern Berlins