Gestern und heute

Rita Nowak erzählt

 

Es ist eines dieser unscheinbaren Berliner Häuser, deren innere Pracht von außen nicht erahnt werden kann. Alles ist großzügig, edel und lichtdurchflutet in diesem über 100 Jahre alten Gründerzeit-Denkmal. In einer kleinen, ruhigen Straße im südlichen Moabit liegt dieses Haus, und dort, ganz nahe an der Spree, wohnt Jahnke-Patientin Rita Nowak*. Auf das Haus angesprochen, huscht zum ersten Mal ein Lächeln über ihre Lippen. „Ja, das Haus gefällt vielen Leuten“, bestätigt sie und fügt mit verständlichem Stolz hinzu: „Hier wohne ich schon seit 45 Jahren.“

Aufgewachsen ist die 1935 geborene Berlinerin aber in der Wilhelmshavener Straße. Der Vater war Polizist in einem Polizeirevier an der Potsdamer Straße, die Mutter kümmerte sich zuhause um die vier Kinder. An unbeschwerte frühe Kindheitsjahre kann sich Rita Nowak erinnern – bis der Krieg sich am Ende nach Deutschland verlagert hatte und die Familie ins heutige Tschechien evakuiert wurde. Harte, entbehrungsreiche Zeiten machte die Familie durch, ehe die Mutter mit der 10-jährigen Rita und ihrem ein Jahr jüngeren Bruder im Herbst 1945 zurück in das vom Krieg verschont gebliebene Haus in der Wilhelmshavener Straße zum kriegsverletzten Vater zurückkehren konnte. „Alles mit einem Handwagen und zu Fuß“, beschreibt die heute 86-Jährige die längste Reise ihres Lebens.

Das Leben im zerstörten Berlin ging trotz aller Schicksalsschläge (einer ihrer Brüder war im Krieg gefallen) weiter. Rita war ein aufgewecktes Mädchen und schaffte es bis zur zehnten Klasse, die sie im Pestalozzi-Fröbel-Haus absolvierte. Diese Stiftung zählt zu den ältesten Ausbildungsstätten Deutschlands für soziale Berufe und hat die Professionalisierung von Frauenerwerbsarbeit im sozialen Dienstleistungsbereich maßgebend beeinflusst. Noch als 15-Jährige wollte Rita deshalb auch Krankenschwester werden, „doch leider waren die Ausbildungsklassen schon voll, ich musste mich umentscheiden“, erzählt sie.  Sie fand Arbeit bei Siemens, später dann bei Genes, zwischenzeitlich auch für ein Jahr bei ihrer Schwester in Kiel. Doch nach ihrer Rückkehr startete sie mit ihrer Ausbildung zur Krankenpflegehelferin. Insgesamt 28 Jahre sollte sie danach im Krankenhaus Moabit arbeiten – immer auf der Station „Innere Medizin“, die letzten zwölf Jahre davon im Nachtdienst.

Geheiratet hat Rita Nowak mit Mitte 30, einen Bierbrauer bei Schultheiß. Über ihre Ehe redet sie nicht allzu viel,  Kinder hatte das Paar keine. Redseliger wird sie, wenn sie auf ihr großes Hobby zu sprechen kommt: das Angeln. Relativ spät, mit Mitte 50, kam sie zu diesem Freizeitsport, doch dann umso engagierter. Und der Angelschein brachte sie dann auch mit einer Gruppe von Hobbyanglern zusammen. Gemeinsam fuhr man zum Fischen, erst in Berlin und nach der Wende auch in Brandenburg. Forelle, Aal, später auch Hecht und Zander hat Rita Nowak geangelt, alles mit Köder. „Gegessen habe ich aber nur den geräucherten Aal“, lacht sie zum Abschluss.

VH

*Name von der Redaktion geändert

Wohnt ihr ganzes Leben schon in Moabit - Jahnke Patientin Rita Nowak