Gestern und Heute

Ingeborg Ameler erzählt

 

Hunderte von Büchern in Regalen, viele Bilder und Gemälde an den Wänden und ein Klavier samt Noten im Wohnzimmer. Das muss die Wohnung einer gebildeten Dame sein, verrät der erste Eindruck dem neugierigen Gast. Die Dame selbst sitzt auf dem bequemen Sofa im Wohnzimmer und beobachtet den schweifenden Blick des unbekannten Besuchers. „Ich komme aus einer musikalischen Familie“, sagt Ingeborg Ameler* nach der freundlichen Begrüßung. „Meine Eltern spielten Klavier, Gitarre und Laute. Und wir fünf Kinder sind allesamt musikalisch erzogen worden.“

Schnell kommt die Gastgeberin ins Erzählen. Geboren wurde sie im Jahr 1935 im schlesischen Hindenburg, das zu ihrer Geburt zum Deutschen Reich gehörte. Die heutige polnische Großstadt Zabrze zählt etwa 170.000 Einwohner. Ingeborg Amelers Eltern waren Anfang der 1930er Jahre aus dem Schwarzwald nach Schlesien gezogen. Ihr Vater hatte eine gut dekorierte Stellung bei der Firma Borsig. Als älteste der fünf Geschwister ist ihr einerseits eine unbeschwerte Kindheit in Erinnerung mit wunderbaren Naturerlebnissen im prächtigen Garten samt großer Laube. Andererseits verspürte sie schon früh die Verantwortung für die jüngeren Geschwister – als Entlastung der eigenen Mutter.

Nach Kriegsende und Rückzug der Familie aus Schlesien in den Schwarzwald begann die talentierte junge Dame ein Studium des Bauingenieurwesens in Mannheim. Sie bestand es mit Bravour und arbeitete – zurück in Polen – über viele Jahre in Gliwice (Gleiwitz) in verschiedenen Architekturbüros. Ihr Mann und sie bekommen zwei Kinder, Sohn Edward wird 1958 geboren, Tochter Dorota 1967. Etliche Jahre später wird Ingeborg Ameler mit ihren Kindern in Berlin ankommen. Arbeit erhält sie als Ingenieurin bei einem Wohnungsbauunternehmen. Als einzige Frau unter Männern muss sie sich an Baustellen beweisen – und zeigt ihren männlichen Kollegen des Öfteren, was eine gute Ausbildung wert ist. Eine ihrer Baustellen wurde das Hochhaus in der Lietzenburger Straße. Als das Gebäude steht, zieht sie Mitte der 1980er Jahre selbst dort ein.

Ihr großes privates Glück findet sie mit ihrem zweiten Ehemann Gert, ein Ingenieur wie sie, der als mit seinem Faible für Autos beruflich  Erfolg hat. Unvergessen ist ihr die einjährige Weltreise im Jahr 1995 mit Gert, die sie über alle Kontinente führt. „Nur Japan und China haben wir nicht gesehen“, berichtet sie, „diese Länder haben uns nicht so sehr gereizt.“

Ingeborg Ameler ist ohne Übertreibung ein Multitalent. Sie spricht mehrere Sprachen: deutsch, polnisch, russisch, französisch. Ihre Liebe zum Wassersport – hier vor allem das Schwimmen und das Segeln – teilte sie mit Ehemann Gert. Ihre Passion für die schönen Künste hat sie ihrer Tochter Dorota vererbt, die sich als Künstlerin schon länger etabliert hat.            

VH

*Name von der Redaktion geändert

 

Ingeborg Ameler neben ihrer Tochter Doroto