Gestern und heute

Renate Schlubar erzählt

 

Als letztes von 13 Kindern wurde Renate Schlubar* 1943 in Swinemünde geboren. An ihrem „Nesthäkchen“ hing die Mutter sehr, weshalb die Jüngstgeborene ihr Leben lang ein enges Verhältnis zur Mutter pflegte. Ihren Vater hingegen kannte sie kaum, er verstarb, als Renate vier Jahre alt war. Der Vater war Postangestellter, ein altes Foto zeigt ihn in schnittiger Uniform der Deutschen Reichspost, für die er zuletzt noch als gern gesehener Geldbriefträger tätig war.

Renate Schlubar war im dritten Lebensjahr, als die Familie schweren Herzens ihre Flucht aus dem inzwischen polnisch gewordenen Swinemünde antrat. Die Flucht selbst dauerte nicht lange, schließlich lag der Zufluchtsort hinter der nahegelegenen polnisch-deutschen Grenze  nur 25 Kilometer entfernt: Bansin auf der Insel Usedom, wo die Familie eine Unterkunft direkt an der Promenade fand. Von den 13 Geschwistern hatten nur acht den Zweiten Weltkrieg überlebt. „Wie genau uns meine Mutter durchgebracht hat, weiß ich nicht mehr. Aber es ist eine außergewöhnliche, großartige Leistung, die ich bis zum heutigen Tag sehr bewundere“, zollt ihr die jüngste Tochter großen Respekt. Nach der Grundschule begann Renate mit 14 Jahren eine Ausbildung zur Verkäuferin. Zunächst waren es Textilien, die sie feilbot, später Backwaren, am Ende arbeitete sie in einer Fleischerei – „eine körperlich sehr harte Zeit“, wie sie rückblickend schildert.

Im Mai 1989 änderte sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen. Eine Reisegenehmigung aus der DDR zum Geburtstag eines ihrer in Westdeutschland lebenden Brüder nutzte sie zur „Republikflucht“, was bedeutete, dass sie nicht in die DDR zurückkehrte. Sie blieb in Westberlin und heiratete im September ihren Mann, der als Optikermeister arbeitete. Sie zog zu ihm nach Moabit in die Calvinstraße, und dort wohnt sie noch immer, 24 Jahre nach dem Tod ihres Mannes, jetzt aber auf der anderen Straßenseite gegenüber. Im bald darauf wiedervereinten Deutschland nahm sie ihre alte Arbeit als Verkäuferin wieder auf. Über ein kurzes Intermezzo bei Edeka in der Bismarckstraße („ein vor Dreck strotzender Laden, bei dem ich es nicht ausgehalten habe“), gelangte sie zur Bäckerei Ostrowski am vornehmen Ku’damm, ehe sie gemeinsam mit ihrem Mann einen eigenen kleinen Zeitungsladen im Wedding hatte.

Heute genießt Renate Schlubar ihr Dasein als Rentnerin, auch wenn es ihrem Alter entsprechend mal hier und mal dort zwickt. Nach zwei Krankenhausaufenthalten wurde ihr nahegelegt, die Dienste einer ambulanten Pflegestation anzunehmen. Dass ihre Wahl auf die Pflegestation Jahnke fiel, macht sie jeden Tag aufs Neue glücklich. „Der freundliche und zuverlässige Denis kommt immer morgens, und nachmittags wechseln sich die Pflegerinnen und Pfleger ab.“ Alle, wirklich alle seien durch die Bank sehr nett. „Auch die jungen Leute, die gerade ihre Ausbildung machen“, ist sie voll des Lobes über die Azubis der Pflegestation Jahnke.     

VH

*Name von der Redaktion geändert

Renate Schlubar in ihrem gemütlichen Wohnzimmer