Birkenblatt
Hilfe durch Selbsthilfe
Vor- und Nachteile der digitalen Selbsthilfe
Das Internet und seine Nutzung durch die so genannten „Neuen Medien“ wie Computer, Smartphones und Tablets ermöglicht seit einigen Jahren eine nahezu grenzenlos erscheinende Kommunikation. Zwei nackte Zahlen können dies auf beeindruckende Weise erläutern: Während 1997 ein Anteil von etwa 6,5 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren das Internet nutze, waren es 1m Jahr 2018 schon 90,3 Prozent. Die weltweite Vernetzung geht selbstverständlich auch an der Selbsthilfe nicht vorbei. Viele Selbsthilfegruppen und an Selbsthilfethemen interessierte Menschen nutzen soziale Netzwerke, Internetforen und Messenger-Dienste.
Neben den zweifelsohne vorhandenen Vorteilen des digitalen Austauschs und Informationsbeschaffung sollten aber auch die Bedenken und Nachteile erwähnt werden. Wir fassen an dieser Stelle einige Argumente zusammen:
Ein häufig genannter Grund für eine digitale Kommunikation in Selbsthilfefragen ist die Scheu, mit anderen Menschen oder gar Organisationen in persönlichem Kontakt treten zu müssen. Viele verschaffen sich auf diese Weise einen ersten Eindruck und reduzieren ihre persönliche Hemmschwelle, mit einer oder mehreren Personen in direkten Kontakt zu kommen.
Ein weiterer Grund für eine internetbasierte Selbsthilfe ist ihre vielfältige Austausch-möglichkeit. Menschen können von überall auf der Welt über die gleiche Problematik sprechen und diverse Erfahrungen und Meinungen beisteuern. Darüber hinaus entsteht eine gewaltige Wissensbreite aus verschiedenen Blickwinkeln, die allesamt archiviert werden können und somit stets abrufbar sind.
Besonders für Betroffene, die an einer seltenen Erkrankung leiden, bietet das Internet Alternativen zu kostspieligen, zeitintensiven Reisen zu Gruppentreffen. Videochats ermöglichen eine von persönlichen Umständen unabhängige Teilnahme am direkten Austausch.
Andererseits erscheint es aus mehreren Gründen vernünftig, die internetbasierte Selbsthilfe nur als Ergänzung zur „realen“ anzusehen. Es sollte sich jeder Interessierte bewusst machen, dass das Internet ein öffentlicher Raum ist. Bei der Selbsthilfe sind es häufig sensible Gesundheitsdaten, die dort geteilt werden. Private Mailadressen und Telefonnummern, die auf Selbsthilfe-Portalen sichtbar sind, können leicht zum unfreiwilligen Outing der eigenen Krankheit führen.
Hinzu kommt, dass viele Nutzer des Internets sich zu wenig mit möglichen Folgen der Nutzung befassen. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Cookies (Dateien, mit der Websites identifiziert werden können), werden häufig gedankenlos akzeptiert. Dadurch gibt man wichtige Informationen wie das eigene Surfverhalten und was man hochlädt und teilt an potenzielle Drittanbieter weiter. Und diese könnten im Zweifelsfall besonders an Selbsthilfe-Mitgliedern interessiert sein. Für zielgerichtete Produktwerbung sind der Industrie keine Wege zu weit und keine Kosten zu hoch.
VH