Im Brennpunkt

Brauchen Senioren wirklich weniger Schlaf?

 

Es gehört zum vermeintlichen Allgemeinwissen unserer aufgeklärten Gesellschaft: alte Menschen brauchen weniger Schlaf als junge. Während uns schon in der Schule beigebracht wurde, dass wir um gut lernen zu können am besten acht Stunden lang schlafen sollen, hieß es über  Senioren immer, da würden locker fünf bis sechs Stunden reichen. Als Begründung wurde häufig hinterhergeschickt: wer ins Rentenalter gekommen ist, bewegt sich nicht mehr so viel, ist zumeist körperlich und geistig nicht mehr so aktiv und kommt daher mit viel weniger Schlaf aus. 

Stimmt das oder ist das eher ein Klischee, eine überkommende Vorstellung?

Die Antwort darauf können Schlafforscher geben. Die Schlafforschung als Teilgebiet der Medizin ist eine relativ junge Wissenschaft. Sie entstand erst, nachdem in den 1950er Jahren die REM-Phase (Rapid Eye Movement), die den menschlichen Intensivschlaf samt Träumen begleitet, entdeckt worden war. Die Weltgesundheitsorganisation WHO unterscheidet 88 verschiedene Schlafstörungen. Diese sind neben den Grundlagen der Schlaf-Wach-Regulation Untersuchungsgegenstand der Schlafforschung.

Beobachtungen der Schlafforscher haben gezeigt, dass das Alter durchaus Einfluss auf die Länge sowie den Rhythmus des Schlafes haben kann. Verschiedene Untersuchungen deuten darauf hin, dass ältere Menschen zwar nicht weniger Schlaf benötigen als jüngere, es fällt ihnen aber nicht immer leicht, ausreichend Schlaf zu erreichen. Krankheiten nehmen zu und der nächtliche Schlaf wird unruhiger. Mit zunehmendem Alter wacht man daher häufiger auf – etwa durch Toilettengänge oder krankheitsbedingte Beschwerden.

Zudem haben ältere Menschen oftmals einen komplett anderen Schlafrhythmus als jüngere. Sie gehen allgemein früher ins Bett und stehen auch früher wieder auf. Darüber hinaus gönnen sie sich oftmals einen Mittagsschlaf oder das berühmte Einnicken im Sessel samt Minutenschlaf. Warum auch nicht? Senioren können es sich leisten. Sie müssen keiner geregelten Arbeit nachgehen und haben keine Kinder zu betreuen. Abgesehen davon ist ein Nickerchen äußerst gesund. Es bleibt also festzuhalten: Senioren schlafen nicht mehr so viel in der Nacht, sondern verteilen den Schlaf auf den ganzen Tag.

Insbesondere Männer zeigen mit zunehmendem Lebensalter einen geringeren Tiefschlafanteil. Der Schlaf wird allgemein als oberflächlicher empfunden und durch Reize wie beispielsweise Lärm, Licht oder Toilettendrang empfindlich gestört. Aber warum wachen ältere Menschen in der Regel früher auf als junge? Schuld daran ist die abnehmende Ausschüttung des Schlaf-hormons Melatonin. Dieses wird bei Dunkelheit ausgeschüttet und steuert maßgeblich den Tag-Nacht-Rhythmus. Die Melatoninwerte eines 60jährigen liegen bei etwa zehn Prozent im Vergleich zur den Werten im Jugendalter.

Welche Tipps aber gibt es von Schlafforschern für ein gesundes und ausreichendes Schlafen im Alter? Die grundlegenden Ratschläge möchten wir an dieser Stelle für unsere Leserschaft zusammenfassen:

Mit zunehmendem Alter leiden die Menschen unter einem verstärkten nächtlichen Blasendruck. Daher ist es wichtig, etwa zwei bis drei Stunden vor dem Zubettgehen die Flüssigkeitszufuhr zu verringern und etwa eine Stunde davor ganz zu unterbinden. Bevor man ins Bett steigt, sollte man unbedingt auch die Blase entleeren.

Der nächste Hinweis betrifft die sogenannte Schlafhygiene. Darunter verstehen die Schlafforscher Schlafrituale und Entspannungstechniken sowie die Schlafumgebung. Es beginnt damit, dass man grundsätzlich nicht direkt nach dem Fernsehprogramm das Licht zum Schlafen ausmacht. Eine halbe Stunde Lesen oder meditieren ist weitaus empfehlenswerter. Wer zum Einschlafen etwas Licht benötigt, kann dies per Steckdosenlicht erhalten, wer es lieber komplett dunkel mag, sollte gerade im Sommer Vorkehrungen treffen, das auch morgens kein Licht in das Zimmer fällt. Damit wird ein vorzeitiges Aufwachen verhindert.

Prinzipiell raten die Experten dazu, nicht im Bett liegenzubleiben, wenn an nicht mehr schlafen kann. Im Umkehrschluss sollte man nicht ins Bett gehen, solange man nicht müde ist. Auch sollte versucht werden, jeden Tag zur etwa gleichen Zeit aufzustehen und auch ins Bett zu gehen. Ein eingespielter Rhythmus ist im Alter im Allgemeinen ratsam.

Nachfolgende Ratschläge gelten nicht nur für Senioren, sondern sind als Empfehlung für alle Menschen mit Schlafstörungen gedacht:

* Handy- und jegliche Bildschirmnutzung vor dem Schlafen ist kontraproduktiv

* Das Abendessen nicht zu spät einnehmen, am besten mindestens vier Stunden vor dem Zubettgehen, damit die Verdauung bereits eingesetzt hat. Dabei ist im  Idealfall eine leichte Kost einzunehmen

* Koffein und Alkohol direkt vor dem Schlaf ist ungesund, Atemübungen und Meditation hingegen förderlich

* Körperliche Aktivitäten wie Sport sollten vor dem Schlaf unterbleiben

* Laute Geräusche und helle Lichtquellen sind nach Möglichkeit auszuschalten

Ausgemachte Schlafräuber sind mehrere Krankheiten. Menschen mit fortgeschrittener Herz-schwäche beispielsweise bekommen auch nachts schwerer Luft, chronische Schmerzen hindern am Einschlafen oder wecken einen immer wieder auf. Ist das der Fall, sollte nicht nur wegen eines ungestörten Schlafs der Arzt aufgesucht werden.                                                

VH          

Foto: ATEGRIS

Senioren schlafen nicht mehr so viel in der Nacht