Birkenblatt
Im Brennpunkt
Nebenverdienst im Alter – viele Rentner sind darauf angewiesen
Der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm, der unter Bundeskanzler Helmut Kohl als einziger Minister die volle Amtszeit von 16 Jahren tätig war, hat einen zur Legende gereiften Spruch hinterlassen. Als er im Jahr 1986 mit einer Kampagne um Vertrauen für die Rentenversicherung warb, ließ er auf 15.000 großen Plakaten verkünden: „Denn eins istsicher: ... die Rente!“ Seit damals gilt Die Rente ist sicher als geflügeltes Wort, das bis zum heutigen Tag teils schmunzelnd, teils erbost vor allem von der älteren deutschen Generation zitiert wird. Denn 35 Jahre nach dieser Kampagne ist auch den letzten Optimisten klar geworden, dass die damals größtenteils üppige Rente für viele der heutigen Ruheständler nur Wunschträume sind.
Genau das ist einer der zentralen Gründe, warum eine steigende Anzahl von Menschen hierzulande weiterarbeiten, obwohl sie eigentlich schon das Rentenalter erreicht haben. Nach Auskunft der Bundesregierung vom Juli 2021 waren im vergangenen Jahr mehr als eine Million Beschäftigte 67 Jahre oder älter. Knapp 600.000 davon hatten noch mit 70 Jahren eine regelmäßige Arbeit, und rund 220.000 waren sogar 75 Jahre oder älter.
Die mit deutlichem Abstand führende Beschäftigungsvariante im Rentenalter ist der Minijob. Dieses Arbeitsverhältnis besagt, dass die jeweiligen Angestellten nicht mehr als 450 Euro verdienen dürfen. Attraktiv ist für viele der minijobbenden Renter*innen ein Gesetz, nach welchem die Rente durch einen Minijob ergänzt werden darf, ohne dass man sich dafür sozialversichern muss und die zusätzlichen Einnahmen auch nicht versteuern muss. Das bedeutet konkret: das Bruttogehalt ist gleich Nettogehalt.
Arbeitsmarktforscher wissen schon seit einigen Jahren, das die Anzahl der Arbeitnehmer*innen, die noch im Rentenalter im Lohn stehen, kontinuierlich steigen. Wenn die Rente zu schmal ist, um Miete, Strom, Lebensmittel und die Dinge des täglichen Bedarfs zu decken oder auch um den gewohnten Lebensstandard zu halten, bleibt mangels gut gefüllter Sparkonten zumeist keine Alternative. Doch Altersarmut oder Wahrung des Lebensstandards sind keineswegs die einzigen Motive für eine Verlängerung der Arbeitszeit. Viele fühlen sich einfach zu vital für den Ruhestand. Ältere Menschen sind heutzutage allgemein fitter als frühere Generationen. Hinzu kommt, dass Fachkräfte sehr gefragt und auch im Alter erwünscht sind. Andere wiederum, die an ihrem Beruf hängen, möchten gerne weiterhin ihre Erfahrung und ihr Wissen weitergeben.
Für Rentnerinnen und Rentner gibt es diverse Möglichkeiten des Zuverdienstes. Während der letzten Jahre haben sich regelrechte Senioren-Jobbörsen vor allem im Internet etabliert, die gezielt Arbeitsangebote für ältere Menschen vermitteln. Erstaunlich viele Branchen sind in diesen Jobbörsen vertreten, die sich etwa „Deutsches Seniorenportal“ oder ein wenig despektierlich „Rent-a-Rentner“ (zu Deutsch: Miete einen Rentner) nennen. Und tatsächlich sind die Angebote breit gefächert, vor allem im Dienstleistungssektor und im Einzelhandel ist die Auswahl groß. So sind beispielsweise Tätigkeiten als Verkaufshilfe oder Inventurhilfe in Warenhäusern und Fachgeschäften möglich ebenso als Gartenhilfe, Reinigungskraft, Baby- oder Hundesitter, als Zeitungsausträger oder auch im Wachschutz.
Wer sich relativ sicher im Internet bewegen kann, hat zudem noch Möglichkeiten, an bezahlten Onlineumfragen teilzunehmen. Ein Computer und ein Internetzugang reichen aus, um auf diese Art und Weise unabhängig und flexibel arbeiten zu können. Rentner, die über einen Führerschein verfügen, haben auch gute Chancen, eine bezahlte Nebentätigkeit im sozialen Dienst zu erlangen. Viele gemeinnützige Vereine beschäftigen ältere Personen, um pflegebedürftigen oder hochbetagten Menschen zum Beispiel das Essen in die eigene Wohnung zu liefern. Darüber hinaus kann es geschehen, dass man bei der Bewältigung des Alltags ein-gesetzt wird, als Begleiter zum Arzt oder zur Physiotherapie, als Einkäufer von Lebensmitteln oder sonstige Erledigungen.
Wer sich im Übrigen noch nicht reif für den Ruhestand fühlt, kann ihn selbstverständlich auch aufschieben. Das geschieht immer häufiger. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter ist nach Informationen des Bundesfamilienministeriums in den vergangenen 20 Jahren von 62,3 Jahren auf 64,3 Jahre gestiegen. Wer die Rente aufschiebt, profitiert rein finanziell nicht nur von höheren monatlichen Geldeingängen. Beschäftigte können durch einen späteren Renteneintritt ihre Rente noch steigern. Versicherte bekommen pro Monat, den sie die Regelaltersrente später beantragen, einen Rentenzuschlag von 0,5 Prozent. Ein Jahr länger arbeiten bedeutet also sechs Prozent mehr Rente.
Ein wichtiger Punkt ist hierbei allerdings zu berücksichtigen: nach Eintritt des offiziellen Rentenalters zahlt die Krankenversicherung kein Krankengeld mehr aus. Diejenigen, die ihren Krankengeldanspruch erhalten möchten, weil sie zum Beispiel neben dem Rentenbezug eine versicherte Beschäftigung über 450 € ausüben, können jedoch aus einer Vollrente eine Teilrente machen. Sicherheitshalber sollte aber immer ein Gespräch darüber mit der eigenen Krankenkasse geführt werden.
VH