Im Brennpunkt

Das Fahrradnetz in Berlin wird deutlich ausgebaut

 

Berlin ist schon heute eine Stadt, in der viele Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind. Der Radverkehr in Berlin hat im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 22,6 Prozent zugenommen. Das zeigt eine Datenauswertung der offiziellen Radstellen, die der Rundfunk Berlin-Brandenburg rbb durchführen ließ. Insgesamt wurden an den 16 aktiven Zählstellen knapp 20,5 Millionen Räder gezählt. Im Vergleichsjahr 2019 waren es 16,7 Millionen. Aber noch längst sind nicht alle Potenziale dieses stadtverträglichen und klimafreundlichen Verkehrsmittels erschlossen. Der auf dem Berliner Mobilitätsgesetz von 2018 aufbauende Radverkehrsplan Berlin beschreibt die notwendigen Ziele, Schwerpunkte und Maßnahmen für den Ausbau des Berliner Radverkehrs und Radnetzes.

Im Mittelpunkt des Radverkehrsplans steht der Ausbau und die Verbesserung der Infrastruktur. Das Radverkehrsnetz umfasst 2.400 Kilometer Länge und erstreckt sich über das gesamte Berliner Stadtgebiet. Innenstadt und Außenbezirke sind gleichermaßen berücksichtigt. Das sogenannte „Vorrangnetz“ ist das Herzstück und hat eine Länge von rund 850 Kilometern. Für dieses Netz gelten die höchsten Qualitätsstandards. Konkret bedeutet das: Radverkehrsanlagen im Vorrangnetz werden 2,50 Meter pro Richtung breit sein und damit ein schnelles und sicheres Vorankommen garantieren. Vorrangnetz heißt darüber hinaus, dass auf all diesen Strecken dem Radverkehr eindeutige Vorrechte gegenüber dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden, etwa durch Lichtzeichenanlagen, die für einen fließenden Radverkehr koordiniert werden.

Neben dem Vorrangnetz wird ein Ergänzungsnetz mit einer Länge von rund 1.500 Kilometern realisiert, beispielsweise durch Fahrradstraßen. Die Radwege im Ergänzungsnetz sind im Regelfall 2,30 Meter breit, in gut begründeten Ausnahmefällen mindestens 2,00 Meter. Ausnahme für die Anwendung der Standards im Radverkehrsnetz sind Flächen des Berliner Stadtgrüns.

Das Ziel der Berliner Landesregierung ist klar umrissen: Es sollen in Zukunft noch mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren. Dabei sollen sie sicherer unterwegs sein und sich sicherer fühlen. Der Radverkehrsanteil soll bis 2030 von derzeit 18 Prozent auf rund 25 Prozent steigen. Der angestrebte Zuwachs der Radverkehrsnachfrage soll nicht zulasten des übrigen Umweltverbundes wie Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Fußverkehr) erfolgen. Vielmehr sollen Wege, die derzeit mit dem Auto zurückgelegt werden, verlagert und die kombinierte Nutzung von Fahrrad und ÖPNV gefördert werden. 

Das Thema Sicherheit ist für viele Menschen wichtig bei der Entscheidung, ob sie auf ein Fahrrad steigen und ob sie gerne damit fahren. Das gilt laut Umfragen vor allem für Frauen, Familien und nicht zuletzt für ältere Menschen. Bei der Errichtung neuer oder dem Umbau bestehender Infrastruktur für den Fahrradverkehr spielt Sicherheit deswegen eine besonders wichtige Rolle. Im Mobilitätsgesetz ist den Anforderungen an neue Radverkehrsanlagen sogar ein Sicherheitsparagraph §43 angelegt worden.

Ein wichtiges Element sind geschützte Radfahrstreifen. Berlin betrat mit ihrem zeitlich begrenzten Pop-up-Radwegen – etwa in Kreuzberg am Halleschen Ufer, in Friedrichshain an der Petersburger Straße oder in der Charlottenburger Kantstraße – bundesweit Neuland. Zum einen erschien es sinnvoll, ihre Wirksamkeit genau zu untersuchen und zu erproben, welche Schutzelemente, Markierungen und Breiten am geeignetsten sind und wie Erkennbarkeit und Haltbarkeit optimiert werden können. Zum anderen war das Fahrradfahren gerade in der Corona-Krise äußerst empfehlenswert, um Ansteckungsrisiken zu minimieren, unbedingt nötige Wege zurückzulegen und sich an der frischen Luft sportlich zu betätigen.

Für mehr Sicherheit ist es vielfach notwendig, Radverkehrsanlagen gegen die missbräuchliche Nutzung durch den Autoverkehr zu schützen. Bei geschützten Radfahrstreifen wird dies durch Sperrpfosten oder Schwellen zwischen dem Radfahrstreifen und dem Fahr- oder Parkstreifen sichergestellt. Die erwähnten zwei bis 2,5 Meter Fahrwegbreite sorgen schließlich auch dafür, dass sich Radfahrfahrer*innen bequem überholen können. Der Abstand zwischen Radfahrstreifen und Parkstreifen wird in der Regel durch eine 1 Meter breite Sperrfläche markiert, damit die Radfahrer*innen nicht durch geöffnete Autotüren gefährdet oder behindert werden.

Darüber hinaus gibt es auch Radfahrstreifen, die neben Fahrspuren für den fließenden Verkehr liegen und durch flexible Sperrpfosten oder ähnliche Leitelemente gegen unzulässiges Befahren durch Autos geschützt sind. Auch farbige Beschichtungen erhöhen die Sichtbarkeit der Radwege und damit die Sicherheit der Nutzer. Zudem tragen sie dazu bei, dass der motorisierte Verkehr weniger häufig die Fahrspur der Radfahrenden kreuzt oder als Park- und Haltefläche beansprucht. An vielen Strecken werden in einer Testphase von fünf Jahren deswegen Grünbeschichtungen vorgenommen und dabei die Oberflächen der Radwege erneuert; teilweise werden die Wege auch verbreitert. Zusätzlich erhalten die Radwege das weiße Fahrradsymbol und in den Kreuzungsbereichen werden die Radfahrstreifen rot beschichtet, um ihre Signalwirkung zu verstärken.

Die Farbauswahl folgt international gebräuchlichen Standards. Als Materialien kommen Kaltplastik und Epoxidharz zum Einsatz. Die Materialien werden hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Beschaffungskosten und Belastbarkeit in einer wissenschaftlichen Begleituntersuchung getestet.

Eine im Rahmen des Modellversuchs Pop-up-Wege durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung kann mit einem interessanten Nebenaspekt aufwarten: Das Institute for Advanced  Sustainability führte anhand mobiler Messungen in unmittelbarer Nähe zum Verkehr unter anderem am Pop-up-Radweg am Kottbusser Damm eine Messreihe durch, um herauszufinden wie sich die veränderte Verkehrsinfrastruktur auf die Luftqualität und Schadstoffbelastung auswirkt. Dabei wurde nach der Einrichtung des Pop-up-Radwegs eine Verringerung der Belastung mit Luftschadstoffen um 22 Prozent festgestellt. An weiter entfernten Messstationen war dies nicht der Fall.                               

VH                                 

 

 

 

Foto: Commons, Fabian Deter

Sicherheit spielt eine zentrale Rolle im Radverkehrsplan