Im Brennpunkt

 

Welche Vorteile bietet der Schwerbehindertenausweis?

 

Wussten Sie, dass in Deutschland fast jeder zehnte Bürger eine schwere Behinderung hat? Eine erschreckend hohe Zahl auch dann, wenn man weiß, dass rund 75 Prozent von ihnen über 55 Jahre alt sind. Menschen sind nach dem neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) dann schwerbehindert, „wenn ihre körperliche Funktion, ihre geistige Fähigkeit oder ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen“. Dann nämlich droht eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Und da wir in einem Land leben, in dem viele Dinge des Lebens bis ins kleinste Detail geregelt sind, muss noch eine wichtige Aussage hinzugefügt werden: eine schwere Behinderung hat der Mensch, bei dem ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegt.

An dieser Stelle kommt der besagte Ausweis ins Spiel. Wenn das zuständige örtliche Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von 50 und mehr festgestellt hat, kann die entsprechende Person dort auch einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Diesem Antrag wird in der Regel stattgegeben. Mit dem Ausweis können die Person dann diverse Leistungen und Hilfen in Anspruch nehmen.

Das Wort Schwerbehindertenausweis trägt in sich eine negative und eine positive Nachricht. Der Besitzer eines solchen Ausweises ist ein Mensch mit einer Behinderung – das ist negativ besetzt. Der Mensch besitzt jedoch einen Ausweis, der ihm in irgendeiner Weise helfen muss – die positive Seite der Medaille. Viele Betroffene wissen gar nicht genau, wie umfangreich diese Hilfen sind. Doch dazu kommen wir später. Zunächst einmal gilt es, den Ausweis und seine Kernaussagen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Zwei wichtige Informationen vermittelt der grün-rosafarbene Ausweis im Scheckkarten-format neben dem Namen des Besitzers, einem Passfoto und der Gültigkeit:

a) den Grad der Behinderung, der mindestens bei 50, im Höchstfall bei 100 liegt

b) das sogenannte Merkzeichen, das als Gesundheitsmerkmal im Ausweis dient

Insgesamt acht solcher Merkzeichen gibt es, und es ist von großer Bedeutung, welches oder welche Merkzeichen angebracht sind. Dabei handelt es sich um bestimmte Buchstaben, die als Nachweis für besondere Beeinträchtigungen dienen. Mit jedem einzelnen Merkzeichen ist ein gewisses Recht verbunden. Sie haben folgende Bedeutung:

G: Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr er-

     heblich eingeschränkt

aG: außergewöhnliche Gehbehinderung
H:  hilflos

Bl: blind

Gl: gehörlos

B:  Berechtigung zur Mitnahme einer Begleit-

      person ist nachgewiesen

TBl: taubblind

RF: Ermäßigung des Rundfunkbeitrags um 2/3 auf Antrag.

Menschen mit Behinderung haben häufig einen größeren Aufwand im Alltag. So müssen sie zum Beispiel mehr Geld für Medikamente, Hilfsmittel oder Pflege ausgeben. Um diesen und andere Nachteile zumindest etwas auszugleichen, gibt es „Nachteilsausgleiche“. Hierfür muss man nachweisen, dass man schwerbehindert ist.  Diese Personengruppe genießt einen besonderen Kündigungsschutz am Arbeitsplatz, Zusatzurlaub oder Vergünstigungen bei der Besteuerung oder auch preisreduzierte Karten für Museen, Schwimmbäder, Busse und Bahnen. Voraussetzung für die Nachteilsausgleiche ist das Vorhandensein mindestens eines der eben genannten Merkzeichen.

Ein gutes Beispiel für die Wertigkeit der Merkzeichen ist die Gehbehinderung. Das „G“ steht  für „erhebliche Gehbehinderung“ und somit für die ernstliche Beeinträchtigung des Behinderten in seiner Beweglichkeit im Straßenverkehr. Voraussetzung ist, dass er die ortsüblichen Strecken nicht zu Fuß zurücklegen kann. Allerdings kommt es nicht auf die realen Verhältnisse vor Ort an, sondern nur darauf, welche Entfernungen im Allgemeinen noch zu Fuß zu bewältigen sind. Als ortsübliche Wegstrecke gilt eine Strecke von etwa 2 km, die in einer halben Stunde zurückgelegt wird. Eine deutlich höhere Wertigkeit hat das   „aG“ für außergewöhnliche Gehbehinderung.Menschen, die sich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können, gelten als außergewöhnlich gehbehindert.

Wer das Merkzeichen „aG“ auf seinem Ausweis hat, darf die öffentlichen Verkehrsmittel unentgeltlich benutzen – bei Vorlage einer gültigen Wertmarke. Außerdem steht der Person eine 100-prozentige Kfz-Steuerermäßigung zu. Wer lediglich Merkzeichen „G“ hat, muss sich entscheiden, entweder unentgeltlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, oder eine 50-prozentige Kfz-Steuerermäßigung nutzen. Auch der blaue Parkausweis für Schwerbehinderte ist nur mit dem Vermerk „aG“ oder „Bl“ (blind) zu erhalten.

Das Antragsverfahren auf einen Schwerbehindertenausweis kann bis zu sechs Monaten dauern. Bei erwerbstätigen Behinderten muss die Entscheidung innerhalb von drei Wochen nach Eingang des Antrags ergehen, sofern ohne zusätzliche Gutachten entschieden werden kann. Oft zieht sich das Verfahren aber länger hin. Werden die sechs Monate Bearbeitungszeit überschritten, können die Antragsteller beim Sozialgericht Untätigkeitsklage erheben. Wird der erwartete Grad der Behinderung im Bescheid nicht erreicht, ist ein Widerspruch empfehlenswert. Der Ausweis wird in der Regel zunächst für fünf Jahre ausgestellt, danach muss man erneut einen Antrag stellen. Es ist sinnvoll, die Verlängerung schon drei Monate vor Ablauf zu beantragen.

Zusammengefasst die wichtigsten Informationen: Wer im alltäglichen Leben durch eine aktuelle, dauerhafte oder von Geburt an bestehende Erkrankung stark beeinträchtigt sind, kann einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht stellen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller in Deutschland wohnt oder einer Arbeit nachgehen. Ab dem 15. Lebensjahr kann man  den Antrag selbst stellen.  Antragsformulare gibt es beim Versorgungsamt im Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin und vom Bürgertelefon unter der Berliner Telefonnummer 115.                                            

VH   

Foto: Commons

Der Schwerbehindertenausweis, wie er seit 2015 vergeben wird