Im Brennpunkt

Die Zeitarbeit in der Pflege soll eingedämmt werden

 

Das Phänomen der Zeitarbeit, auch Leiharbeit genannt, reicht in Deutschland bis in die 1920er Jahre zurück. Ihr Siegeszug vor allem innerhalb der Industrie, später auch  im Dienstleistungssektor, begann aber erst in den 1970er Jahren. Aus unserer heutigen globalisierten Wirtschaft ist die Zeitarbeit nicht mehr wegzudenken. Die meisten Unternehmen nutzen diese moderne Dienstleistung mittlerweile, die Tendenz ist dabei steigend. Zeitarbeitsfirmen sind ganz normale Unternehmen und dementsprechend sind Zeitarbeitnehmer ganz normale Arbeitnehmer.

Während der letzten Jahre kam jedoch massive Kritik aus einer Branche, in der die Arbeitsverträge mit Zeitarbeitsfirmen ein ungesund hohes Maß angenommen hat: aus der Pflege. Schuld daran ist das Gebaren etlicher Unternehmen von Leihfirmen. Diese bieten teilweise ungewöhnlich hohe Stundenlöhne für Mitarbeiter an, werben äußerst aggressiv mit hohen Prämien um neues Personal und bieten gleichzeitig Mitarbeitern Arbeitsbedingungen, von denen regulär angestellte Fachkräfte nur träumen können: Wunschschichten, Fahrkostenerstattungen, bessere Planbarkeit.

Während im Bundesdurchschnitt zwei Prozent Leih- oder Zeitarbeiter/innen im Pflegesektor beschäftigt sind, liegt die Zahl in Berlin bei sieben Prozent. An Spitzentagen sind es in einigen Schichten sogar bis zu 30 Prozent, die in Heimen oder Krankenhäusern arbeiten und von Leiharbeitsfirmen bezahlt werden. Was zunächst als willkommene Lösung – wenn auch Notlösung – verstanden werden kann, um eine vernünftige Versorgung sicherstellen zu können, entpuppt sich beim näheren Hinsehen jedoch als generell untaugliches Mittel. Wer die Folgen bedenkt, kann diese Lösung nicht gutheißen.

Zeitarbeitende stopfen zwar in der pflegerischen Arbeit die ärgsten Versorgungslöcher. Ihre Fachkompetenz kann aber am Anfang der Einsatzzeit kaum eingeschätzt werden. Zudem bleiben sie auf Station oder im Heim häufig ein Fremdkörper. Schlimmer noch: festangestellte Mitarbeiter/innen fühlen sich nicht selten benachteiligt, denn Zeitarbeitende ergattern die beliebtesten Schichten, müssen weniger Wochenend- und Nachtschichten absolvieren  und verdienen zudem besser. Kein Wunder, dass sich viele Pflegekräfte von solchen Beschäftigungsverhältnissen angezogen fühlen.

Doch den pflegepolitisch Verantwortlichen in Deutschland kann dieser Trend gar nicht gefallen. Bei ihren ernstzunehmenden Bemühungen um Reformen und eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Bezahlung von Pflegenden dürfen sie nicht zulassen, dass Festangestellte dermaßen verprellt werden. Das Land Berlin hat deswegen schon im Januar ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgestellt, das die Leiharbeit in der Pflege eindämmen soll. Eine völlige Abschaffung der Zeitarbeit im Pflegebereich ist rechtlich wohl nicht möglich. Die freie Berufswahl, die vom Artikel 12 des Grundgesetzes garantiert wird, lässt ein radikales Verbot nicht zu. Zudem würde in solch einem Fall ein Teil der aktuellen Zeitarbeitnehmer mit Zwang in Heime, Krankenhäuser oder ambulante Pflegestationen wechseln. Die Motivation wäre beim Zwang vermutlich sehr gering, ein kompletter Berufswechsel nicht ausgeschlossen.

Nichtsdestotrotz hat die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci den Kampf gegen unverhältnismäßig hohe Zahl der Pflegeleiharbeiter aufgenommen. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen soll dabei helfen. Darin enthalten ist unter anderem ein Gutachten, das das Land mit der Charité anfertigen will zur „Prüfung der Auswirkungen der Leiharbeit auf die Pflegequalität und Versorgungssicherheit“.

Dass es der Gesundheitssenatorin ernst ist, zeigen die weiteren – teils drastischen – Formulierungen: So will Dilek Kalayci im Bundesrat eine Initiative „zur generellen Unterbindung der Arbeitnehmerüberlassung im Pflege- und Krankenhausbereich“ nach bisherigem Recht ergreifen und Eckpunkte eines Rahmenüberlassungsvertrags für Zeitarbeitsfirmen formulieren. Zudem plant sie, eine generelle Unterbindung von Leiharbeit in die Rahmenverträge Pflege festzuschreiben.

„Die Entwicklung der Leiharbeit in der Pflege in Berlin gibt inzwischen Anlass zur Sorge“, sagte Kalayci bei der Vorstellung des Maßnahmepakets. Krankenhäuser beklagten, dass Pflegepersonal besonders im intensivmedizinischen Bereich von Leasingfirmen gezielt abgeworben wird. Als Folge verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen für festangestellte Pflegekräfte, deren Belastung nehme zu. „Pflege ist eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung. Die ist bei kurzen Einsätzen der Leiharbeitskräfte schwer aufzubauen“, so die Senatorin.

Deswegen zielt die Bundesratsinitiative auch darauf ab, die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver zu machen. Dafür seien allgemeinverbindliche Tarifverträge für alle Beschäftigten notwendig. Die Initiative des Berliner Senats hat innerhalb kurzer Zeit ein höchst positives Echo gefunden. Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein unterstützen den Berliner Vorstoß, auch die Berliner Krankenhausgesellschaft signalisierte schnell ihr Einverständnis. „Kliniken zahlen Millionen an Personaldienstleister, statt direkt für Pflegekräfte und für die Verbesserung in der Versorgung“, monierte den Geschäftsführer Marc Schreiner.  „Berliner Krankenhäuser benötigen festes Personal. Deswegen muss eine enge prozentuale Begrenzung und starke Eindämmung der Leiharbeit in Krankenhäusern dringend und schnell her – Hand in Hand mit Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.“

Auch die ambulanten Pflegedienste Berlins sehen sich seit längerem mit der Problematik Leiharbeit konfrontiert. Die Pflegestation Jahnke hat bislang erfolgreich eine Ausleihe von Leasingkräften vermeiden und mit seinen hochmotivierten Pflegekräften  arbeiten können.

Ob die Bundesratsinitiative Berlins Erfolg haben wird,  ist momentan noch offen. Dass sich in absehbarer Zeit in der Thematik etwas ändern muss und wird, gilt in Fachkreisen allerdings als gesichert.           

VH                        

Foto: Commons

Sin die Tage der Zeitarbeit in der Pflege gezählt?