Im Kiez gekiebitzt

Kunst von der Tankstelle – Das kleine Grosz Museum

 

Unter der Adresse Bülowstraße 18 lag jahrelang hinter einer weißen Mauer ein geheimnisvoller Ort verborgen. Heute ist er wieder zugänglich. Dem Besucher zeigt sich dort an der Ecke Frobenstraße ein architektonisches Kleinod: das kleine Grosz Museum. Aus der ehemaligen Shell-Tankstelle im 50er Jahre Design ist ein zauberhafter Ausstellungsort mit Café entstanden. Ein Anbau ergänzt das Ensemble. Über eine Art Brücke passiert man einen Teich, in dem Koi-Karpfen ihre Runden drehen, dahinter meterhoher Bambus und einige Kiefern. So präsentiert sich der Museumsgarten. Galerist Joerg Judin hatte das Eckgrundstück vor mehr als zehn Jahren erworben und nach dem Umbau zur Privatvilla zunächst selbst bewohnt. 

Doch nun hat der Grosz-Liebhaber das Grundstück an den Verein „George Grosz in Berlin“ vermietet, zunächst für fünf Jahre. Kaum ein anderer Ort in Berlin wäre passender gewesen, und George Grosz hätte sich sicher gefreut. Großstadtchaos, Bordellszenen, Straßenstrich, Gangster und Betrunkene – all das hatte den bekannten Karikaturist und Zeichner der 1920er Jahre fasziniert. Die Gegend um den Nollendorfplatz war seine Lebenswelt, hier fand er auch seine Motive. Umso passender, dass nun eine Privatinitiative an genau dieser Stelle ein eigenes Ausstellungshaus für den Künstler ermöglichen konnte. Arbeiten aus allen Schaffensperioden sind in der kleinen Dauerausstellung im Erdgeschoss zu sehen, während im Obergeschoss Wechselausstellungen beherbergt sind.

Auch als politischer Künstler war der gebürtige Berliner aktiv: Bereits 1923 warnte er vor Hitler. George Grosz thematisierte immer wieder schonungslos die Brutalität des Krieges, das Unheroische, die Zerstörung, das unsägliche Leid der Zivilisten. Vor dem Hintergrund des neuen Krieges in Europa wirken seine Arbeiten zeitlos und brisant. George Grosz selbst wurde während des Ersten Weltkrieges nach seiner Einberufung zum Militär übrigens als dienstuntauglich zurückgestellt. Bis zu seinem Lebensende blieb er als politischer Chronist aktiv.

Über eine eigene Sammlung verfügt das Museum nicht, vielmehr wird auf private Leihgaben zurückgegriffen, so auch jene aus der privaten Sammlung von Galerist Joerg Judin. Der 2015 gegründete Verein wird angeführt von Ralph Jentzsch, der als Nachlassverwalter auch eng mit den Erben des Künstlers zusammenarbeitet. 

Grosz (1893-1959) wurde eigentlich als Georg Ehrenfried Gross geboren. Ab spätestens 1916 wird aus dem Künstlernamen Grosz ein politischer Name: George Grosz will mit dem englisch klingenden Namen ein Zeichen setzen gegen den deutschen Patriotismus. Die bis zum 17.Oktober dauernde aktuelle Ausstellung zeigt passend hierzu 50 frühe Arbeiten unter dem Motto „Gross vor Grosz“. Das kleine Grosz Museum in der Bülowstraße 18 ist täglich ab 11 Uhr geöffnet außer Dienstag und Mittwoch, der Eintritt nur mit vorab gebuchten Tickets möglich.

Michaela Karrie

 

Foto: Michaela Karrie

Früher eine kleine Tankstelle: das kleine Grosz Museum in der Bülowstraße