Im Kiez gekiebitzt

Die „Straße der Erinnerung“ am Spreebogen Moabit

 

Im Jahr 2009 wurde am Moabiter Spreebogen eine große Bronzeplastik des deutschen Bildhauers Rolf Biebl aufgestellt. Sie wurde direkt hinter dem Innenministerium platziert und zeigt einen unbekleideten Mann, der entschlossen durch einen Teil der Berliner Mauer springt. Sein rechtes Bein und sein linker Arm sind vorn und bereits auf der anderen Seite der Mauer. Der Blick ist freudig und hoffnungsvoll, sein Mund ist so geformt, als ob er sogleich einen Freudenschrei ausstoßen möchte. Es bedarf keiner großen Fantasie, um einen direkten Zusammenhang zum Fall der Berliner Mauer herzustellen.

„Die friedliche Revolution der Menschen in der ehemaligen DDR ist von historischer Dimension“, wird Ernst Freiberger zitiert, Gründer der  sich sozial und gesellschaftspolitisch engagierenden gleichnamigen Ernst Freiberger-Stiftung. „Sie war die Tat Hunderttausender, die gegen die kommunistische Diktatur aufbegehrten. Jeder Einzelne von ihnen ging dabei ein hohes Risiko ein, riskierte seine Gesundheit, sein Leben oder lief Gefahr, verhaftet zu werden.“

Die eindrucksvolle Plastik von Rolf Biebl wird ergänzt von einem in unmittelbarer Nähe aufgebauten Originalteil der früheren Berliner Mauer. Eingebettet sind beide in die sogenannte „Straße der Erinnerung“, die eigentlich keine Straße ist, sondern ein Spazierweg am Spreeufer. Genau dort, wo sich Anfang des 18. Jahrhunderts hugenottische Flüchtlinge niedergelassen hatten, um eine Seidenproduktion zu starten, werden rund 25 Jahren regelmäßig neue Denkmäler aufgestellt. Mit diesen werden Persönlichkeiten geehrt, die sich im 20. Jahrhundert durch herausragende wissenschaftliche Leistungen, besondere Beiträge zur künstlerischen Kultur Deutschlands oder durch mutiges Eintreten für Freiheit und Menschenrechte hervorgetan haben. Diese Menschen haben zumeist in der Zeit von 1933-1945, die von Krieg, Terror und unermesslichem Leid gekennzeichnet war, die Erinnerung an das „andere“ Deutschland wachgehalten.

Bis zum heutigen Tag wurden Büsten für elf Personen angefertigt und in die Straße der Erinnerung aufgestellt. „Helden ohne Degen“ nennt sie Ernst Freiberger, und ihre Lebensläufe sind so unterschiedlich wie ihre Gesichter. Albert Einstein ist hier vertreten, der überragende deutsche Physiker, der als Jude 1934 von den Nazis strafausgebürgert wurde. Die Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Albrecht Haushofer und Georg Elser, die Grafikerin und Malerin Käthe Kollwitz sowie Edith Stein, die Brückenbauerin zwischen Christen und Juden, waren allesamt Opfer der Nazi-Herrschaft. Die Politiker Walther Rathenau und Ludwig Erhard werden geehrt, der Architekt Ludwig Mies van der Rohe, der Schriftsteller Thomas Mann und Konrad Zuse der unvergessene Computer-Pionier. Wer sie noch nicht gesehen hat – ein Besuch lohnt sich!

VH

 

 

Foto: ©Volker Hütte

Die Büste des Physikers Albert Einstein