Im Kiez gekiebitzt

Der Mierendorffplatz in Charlottenburg

 

Im Osten des Berliner Ortsteils Charlottenburg liegt der Mierendorffplatz. Dieser besteht streng genommen aus zwei Teilplätzen, einem nördlichen, der als rechteckiger Schmuckplatz mit Springbrunnen angelegt ist, und einem von alten Häusern umgebenen südlichen. Auf diesem dreieckigen Platzareal findet mittwochs und samstags ein  gut besuchter Wochenmarkt statt. Gleich fünf Straßen verlaufen an den oder durch die zwei Platzhälften: die Mierendorff-, Osnabrücker-, Kepler- und die Lise-Meitner-Straße sowie die Kaiserin-Augusta-Allee.

Ein Blick in die Geschichte gibt interessante Auskünfte zu diesem Platz. Ende des 19. Jahrhunderts war Charlottenburg noch eine eigenständige, von Berlin unabhängige  Stadt. Ihre zunehmende Attraktivität zog mehr und mehr wohlhabende Berliner Bürger an, die sich aus der Enge der preußischen Hauptstadt befreien wollten. Viele siedelten sich an der repräsentativen Verbindungsstraße zwischen dem Charlottenburger Schloss und Berlin an. Auch ließen sich ab den 1870er Jahren wichtige Industriebetriebe wie Siemens und Halske und Schering im Nordosten Charlottenburgs nieder. Damit begann eine rasantes Wachstumsphase der Stadt.

Bei der Planung eines neuen Wohnviertels für einfache Leute wurde 1887 der spätere Mierendorffplatz bereits berücksichtigt. Er wurde seinerzeit als Gustav-Adolf-Platz angelegt, benannt nach dem gleichnamigen König von Schweden, der durch seinen Eintritt in den Dreißigjährigen Krieg den Sieg des katholischen Lagers verhindert hatte. Erst 1913 wurde die Parkanlage nach den Entwürfen des berühmten städtischen Gartenbaudirektors Erwin Barth erbaut. Der Mierendorffplatz ist – im Gegensatz zu den prächtigen und repräsentativen Parkanlagen des ausgehenden 19. Jahrhunderts – eher funktional, doch gleichzeitig anspruchsvoll gestaltet.

Der Platz hieß nur von 1897 bis 1950 Gustav-Adolf-Platz. Er wurde 1950 umbenannt nach dem SPD-Reichstagsabgeordneten und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime Carlo Mierendorff (1897 bis 1943). Eine Besonderheit des Platzes besteht aus seiner Lage als Insel. Der Platz ist tatsächlich von allen Seiten vom Wasser umgeben, von der Spree sowie vom Westhafenkanal und dem Charlottenburger Verbindungskanal.

Nach der Eröffnung des U-Bahnhofs Mierendorffplatz 1980 änderte sich das Gesicht des Platzes noch einmal. In enger Anlehnung an die Pläne von Erwin Barth konnte der ursprüngliche Schmuckplatz wiederhergestellt werden. Dabei wurden Brunnen, Bänke, Tore und Lampen originalgetreu nachgebildet. Heute prägen Cafés und Restaurants das Bild des Mierendorffplatzes. Besonders zur warmen Jahreszeit, wenn die Jugendlichen aus der am Platz gelegenen Jugendkunstschule in die Cafés strömen, ist hier großstädtisches Flair im besten Sinne zu genießen.

VH

 

Foto: Commons, Rectifier 99

Blick auf den Wochenmarkt am Mierendorffplatz