Im Kiez gekiebitzt

Ein Gedenkstein für Harald Juhnke im Wedding

 

Die Fordoner Straße  ist eine kaum mehr als 50 Meter kurze Straße im nordöstlichen Wedding. Inmitten der 1930 fertiggestellten Brunnenhof-Siedlung gelegen mündet sie als Sackgasse in eine Gartenkolonie. Elf Häuser stehen dort, ein breiter Mittelstreifen trennt die beiden Fahrwege. Ruhig, sehr ruhig ist es. Einige Jugendliche lungern gelangweilt herum, zwei ältere Leute sitzen auf einer Bank und beobachten ihr Tun. Einkaufsläden gibt es nicht. Wer hier nicht wohnt oder Freunde oder Verwandte besucht, hat eigentlich keinen triftigen Grund, sich  in diese abgeschiedene Gegend zu begeben.

Oder vielleicht doch?

Wer von der Zechliner Straße kommt und in die Fordoner Straße einbiegt, muss unweigerlich seine Augen auf einen am Mittelstreifen platzierten Gedenkstein richten. Der Stein ist weder besonders groß noch ist er hübsch dekoriert. Aber ein Porträt eines Menschen mit Hut ist auf ihm angebracht worden, und wer näher herankommt, erkennt das Gesicht von Harald Juhnke. Ein Gedenkstein für den berühmtesten aller Berliner Entertainer inmitten einer tristen Siedlung? Wie passt das zusammen?

Die Antwort findet man, bewegt man sich etwa 100 Meter in Richtung des kleinen Flüsschens Panke. Die dortige Uferstraße heißt Stockholmer Straße, und vor der Hausnummer 29 ist rechts neben dem Eingang eine Tafel montiert worden. Sie trägt die Information: „Hier im Hause wurde Harry Heinz Herbert Juhnke am 10. Juni 1929 geboren.“ Der Star des glitzernden Showbusiness, der vielleicht größte deutsche Künstler aus Berlin seit Marlene Dietrich und der in Ulm geborenen Hildegard Knef, ist also ein Kind des Arbeiterbezirks Wedding gewesen. Juhnke ist hier aufgewachsen, sein Lieblingsspielort der frühen Kindheit war der Mittelstreifen an der Fordoner Straße. Das bestätigte der Mann, der für den Gedenkstein in seiner jetzigen Form verantwortlich ist: Juhnkes Kindheitsfreund Joachim Brunken.  

Im Oktober 2005, ein halbes Jahr nach Juhnkes Tod am 1. April, wurde der Gedenkstein eingeweiht – und er sorgte zunächst für großen Ärger. Vielen Fans war das Porträt der Bildhauerin Eike Stielow auf dem Gedenkstein zu grimassenhaft. Juhnkes Gesicht war zudem schlecht getroffen, man erkannte ihn kaum. „Dieses miese Denkmal hat unser Harald nicht verdient“, dachte sich Brunken damals und überklebte es kurzerhand mit einem von ihm gemalten Juhnke-Bild, das im „Alkoholfreien Treffpunkt“ der Siedlung hing.

Inzwischen  befindet sich auf dem Stein ein in Edelstahl graviertes Porträt Harald Juhnkes. Er trägt einen schwarzen Hut, eine Gesichtshälfte ist dunkel, die andere hell. Die Sonnen- und die Schattenseiten des begnadeten, aber alkoholkranken Schauspielers und Entertainers?  Möglich wurde die Änderung durch private Spenden. Die Stadt Berlin tut sich nach wie vor schwer damit, Juhnke zu ehren. Keine Straße, kein Platz, keine Kulturstätte ist nach ihm benannt. Zeit dafür wäre es – 15 Jahre nach dem Tod des außergewöhnlichen Berliner Künstlers.

VH                                

Der geänderte Gedenkstein für Harald Juhnke