Interview mit Prof. Dr. Hermann Parzinger

Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

 

Herr Professor Parzinger, welcher Gedanke  war im Jahr 1957 ausschlaggebend für die Gründung der Stiftung Preußischer Kultur-besitz?

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) wurde 1957 in der alten Bundesrepublik gegründet, um nach der Auflösung des preußischen Staates dessen Sammlungen als gesamtstaatliches und nationales Erbe zu erhalten – die Frage der Eigentümer- und Trägerschaft war neu zu regeln. Durch das sogenannte Errichtungsgesetz wurden der Stiftung diese Sammlungen als Eigentum überantwortet. Bis zur Wiedervereinigung waren es die westdeutschen Bundesländer, die gemeinsam mit dem Bund die SPK getragen haben. Mit dem Einigungsvertrag von 1990 übernahm die SPK auch jene vormals preußischen Bestände, die in Ost-Berlin und an anderen Orten der ehemaligen DDR bewahrt worden waren. Seit 1992 beteiligen sich auch die fünf neuen Bundesländer an der Finanzierung der Stiftung.

Die Stiftung ist bekannt als eine der größten Kultureinrichtungen weltweit. Welche Ein-richtungen sind unter ihrem Dach vereint und wie viele Standorte hat sie insgesamt?

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vereint unter ihrem Dach fünf Einrichtungen, die gemeinsam alle Sparten der kulturellen Überlieferung vertreten: Die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatsbibliothek zu Berlin, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, das Ibero-Amerikanische Institut und das Staatliche Institut für Musikforschung. Ihre zahlreichen Häuser befinden sich an verschiedenen Standorten in Berlin. Es sind zum Teil historische Orte der preußischen Sammlungen, die lange vor der Gründung der Stiftung entstanden sind. Andere Standorte entwickelten sich infolge konzeptioneller Planungen der Stiftung im zunächst geteilten und seit 1990 wiedervereinigten Berlin.

Der Ursprung der Berliner Museumslandschaft liegt auf der Museumsinsel. Ebenfalls in der historischen Mitte Berlins entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Gebäude der Staatsbibliothek am Boulevard Unter den Linden. In Dahlem wurden in den 1920er Jahren ein neues Museums- und ein Archivgebäude errichtet.

Nach der Teilung Berlins nutzten die ostdeutschen Nachfolgeeinrichtungen der preußischen Sammlungen im Wesentlichen die historischen Stammhäuser. Im Westteil der Stadt setzte die Stiftung umfangreiche Neuplanungen für eine Unterbringung der preußischen Sammlungen in Gang. Dabei verlor sie die Perspektive einer Wiedervereinigung nie aus den Augen.

Die Museumsinsel hat sich jetzt wieder zum Ort für die Antike und abendländische Kunst entwickelt. Charlottenburg ist das quartier français zur Kunst des 20. Jahrhunderts, das von in sich geschlossenen Sammlermuseen geprägt ist. Mit der bevorstehenden Eröffnung des Humboldt Forums und dem damit verbundenen Umzug der außereuropäischen Sammlungen werden sich sowohl der Standort Mitte als auch Dahlem erneut grundlegend verändern.

Das Flaggschiff der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist die Museumsinsel, die seit vielen Jahren durch den sogenannten Masterplan aufwändig restauriert und erweitert wird. Warum ist diese Erweiterung sinnvoll – und wann ist die Bauphase beendet?

Auf der Museumsinsel Berlin befinden sich fünf historische Gebäude, die zwischen 1830 und 1930 eröffnet wurden: das Alte Museum, das Neue Museum, die Alte Nationalgalerie, das Pergamonmuseum und das Bode-Museum. Nach der deutschen Wiedervereinigung und der Zusammenführung der Staatlichen Museen in Ost- und West-Berlin wurde rasch der hohe Sanierungsbedarf der Häuser deutlich. Zudem hatte die Stiftung den Anspruch, die Museumsinsel zu einem zeitgemäßen Museumskomplex umzugestalten. Dafür entwickelte sie den Masterplan Museumsinsel. Dieser umfassende Sanierungs- und Modernisierungsplan wurde 1999 vom Stiftungsrat beschlossen.

Drei der fünf historischen Gebäude auf der Museumsinsel sind bereits vollendet und wiedereröffnet: die Alte Nationalgalerie, das Bode-Museum und das Neue Museum. Mit dem Kolonnadenhof ist auch der erste Teil der Freiflächen fertig. Die Grundinstandsetzung des Pergamonmuseums ist seit 2013 im Gang. Als neues Eingangsgebäude zur Museumsinsel wird derzeit die James-Simon-Galerie errichtet, die ab Mitte 2019 als zentrales Servicegebäude die Besucher der Museumsinsel empfangen wird. Als letztes der fünf historischen Häuser soll dann noch das Alte Museum saniert werden.

Warum ist 100 Jahre nach dem Untergang der Preußischen Monarchie mit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. das Interesse am Preußischen Königreich und seiner Kultur ungebrochen groß, ja vielleicht sogar so groß wie noch nie zuvor?

Ich bin trotz des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses nicht sicher, ob es wirklich nur das Interesse am preußischen Königreich ist, das so groß ist. Was sich heute noch an den herausragenden Beständen der SPK ablesen lässt und nach wie vor fasziniert, ist die besondere Leistung Preußens, Sammlungen zur Entwicklung aller Kulturen der Menschheit von den Anfängen bis zur Gegenwart angelegt zu haben. Dieses Erbe in seiner Gesamtheit zu erhalten und fortzuentwickeln, ist die zentrale Aufgabe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Erforschung dieser Sammlungen versetzt uns in die Lage, Antworten auf die großen Fragen nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Menschen von heute zu finden: Wie haben sich Kulturen gegenseitig beeinflusst, was können wir daraus auch heute noch lernen? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gab es? Wie kann man kulturelle Zeugnisse in von Konflikten bedrohten Krisenregionen besser schützen? Woher kommen die Objekte in unseren Sammlungen, und können sie uns heute helfen, den Dialog zwischen den Kulturen zu intensivieren?

Das Interview führte Volker Hütte

Foto: SPK / Herlinde Koelbl

Hermann Parzinger, geboren am 12. März 1959 in München, studierte Vor- und Frühgeschichte, Provinzialrömische Archäologie und Mittelalterliche Geschichte in München, Saarbrücken und Ljubljana, Promotion 1985, Habilitation 1990. Er ist seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Bis heute leitet er Ausgrabungs- und Forschungsprojekte und veröffentlicht regelmäßig.