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Das neue Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung betrifft auch die Pflege

 

Zahlreiche Gesetzesvorhaben der Bundesregierung mussten wegen der Corona-Krise und ihren dramatischen Folgen verschoben werden. Doch Ende Juni konnten nun endlich einige zentrale Gesetzesnovellierungen im Bundesrat bestätigt und somit dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden. Dazu zählt auch das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG). Dieses umfangreiche Werk ist das letzte Gesetz im Gesundheitssektor der aktuellen Großen Koalition und somit auch das letzte in der Ägide von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Trotz großer Differenzen von CDU/CSU und SPD konnten sich die Verhandlungspartner dabei auch auf weitreichende Änderungen für die Pflegeversicherung und Pflegeleistungen einigen.

Ganz wichtig: Um steigende Beiträge für die Versicherten zu vermeiden, soll der Bund im Jahr 2022 zunächst sieben Milliarden Euro als Extra-Zuschuss für die gesetzliche Krankenkassen geben – über die regulären 14,5 Milliarden Euro hinaus. Bei Bedarf soll der Steuerzuschuss so erhöht werden können, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag das heutige Niveau von 1,3 Prozent nicht übersteigt.

Die Neuregelungen zur Pflege insgesamt sollen 2022 greifen. Zur Finanzierung soll der Pflegebeitrag für Kinderlose jedoch leicht steigen. Für alle Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim soll es finanzielle Entlastungen geben. Sie erhalten zu ihrem pflegebedingten Eigenanteil einen neuen Zuschlag, der mit der Pflegedauer steigt. Der Eigenanteil für die reine Pflege soll so im ersten Jahr im Heim um 5 Prozent sinken, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 70 Prozent.

Eine Beispielrechnung zeigt, wie sich das auswirken könnte – ausgehend vom bundesweiten Durchschnitt von 911 Euro Pflege-Eigenanteil inklusive eines Anteils für Ausbildungskosten pro Monat: Die Entlastung liegt ab dem 1. Monat bei 45 Euro. Bei mehr als 12 Monaten sinkt der Eigenanteil um 228 auf 683 Euro, ab dem 4. Pflegejahr um 638 Euro auf 273 Euro. Diese Entlastung ist ein Kernpunkt der Pflegereform innerhalb der GVWG. Sie stößt auf breite Zustimmung der Betroffenen und ihrer Angehörigen – nicht aber der Pflegekassen. Auf die kommen nämlich Ausgaben in Milliardenhöhe zu, die bislang nicht ausreichend gegenfinanziert sind.

Auch für die Pflegebedürftigen im ambulanten Bereich wird es Entlastungen geben, zwar nicht wie ursprünglich vorgesehen ab dem 1.7.2021, aber ab dem 1.1.2022. Die Pflegesachleistungen werden um fünf Prozent erhöht, also alle Dienstleistungen, die von Mitarbeitern eines ambulanten Pflegedienstes erbracht werden.

Pflegegrad     Leistungen neu    Leistungen alt

1

0

0

2

724 €

689 €

3

1.363 €

1.298 €

4

1.693 €

1.612 €

5

2.095 €

1.995 €

 

Ursprünglich war sogar geplant, auch Pflegebedürftigen, die von einer 24-Stunden-Pflege unterstützt werden, erweiterte Finanzierungsmöglichkeiten zukommen zu lassen. Das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums sah vor, dass bis zu 40 Prozent der Pflegesachleistungen auch für die 24-Stunden-Betreuung nutzbar sein sollten. Viele Pflegehaushalte werden nämlich inzwischen durch 24-Stunden-Pflegekräfte, meist aus Osteuropa, unterstützt. Grund dafür ist vor allem der Mangel an Pflegeheimplätzen. Doch dieser Punkt wurde gänzlich aus dem neuen Gesetzesentwurf vom Juni 2021 entfernt.

Die Pauschale für die Verwendung von Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch, also Hygiene- und Schutzmittel wie Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe und Mund-Nasen-Schutz wurden aufgrund der Corona-Pandemie schon vor längerer Zeit von 40 auf 60 Euro pro Monat erhöht.  Diese Schutzmittel ermöglichen eine keimfreie und sichere Pflege und sind speziell für den Einmalgebrauch geeignet. Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegehilfsmittel ist die Versorgung der Pflegebedürftigen mit einem Pflegegrad im eigenen Zuhause. Nach aktuellem Stand gilt die erhöhte Leistung bis zum 31.12.2021. Eine Verlängerung ist je nach Lage der Corona-Pandemie möglich.

Weiterhin können Pflegefachkräfte ab dem nächsten Jahr im Rahmen ihrer Leistungs-erbringung konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben. Dazu bedarf es Richtlinien, die noch vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis Jahresende 2021 zu erlassen sind. In diesen Richtlinien werden auch die Eignung der Pflegefachkräfte und Verfahrensfragen festgelegt.  Die Bearbeitungsfrist für Anträge für Pflegehilfsmittel durch die Pflegekasse wird auf drei Wochen beschränkt.

Schließlich noch eine wichtige Neuerung: Nach langem Streit zwischen den am Gesetzespaket beteiligten Ministern für Gesundheit (Jens Spahn), Finanzen (Olaf Scholz) und Arbeit und Soziales (Hubertus Heil) sollen ab dem 1. September 2022 Pflegekräfte künftig nach Tarif bezahlt werden müssen. Konkret bedeutet das: Pflegeeinrichtungen sollen in Zukunft nur noch dann zugelassen werden, wenn sie ihre Pflegekräfte nach Tarif bezahlen. Deshalb dürfen die Pflegekassen ab dem 1. September 2022 Versorgungsverträge nur noch mit solchen Pflegeeinrichtungen abschließen, die ihrem pflegenden Personal eine Entlohnung zahlen, die in Tarifverträgen oder in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist.    

VH

                                                          

 

 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn BMG