Nachgefragt

Interview mit Ulrike Gote, Berliner  Gesundheitssenatorin

 

Frau Gote, Sie sind die erste Berliner Gesundheitssenatorin von Bündnis 90/Die Grünen. Welche inhaltlichen Schwerpunkte stehen im Vordergrund Ihrer Arbeit, damit diese Legislaturperiode eine gute für die Gesundheitspolitik in Berlin wird?

In der heutigen Zeit für den Bereich Gesundheit zuständig zu sein, ist natürlich eine Herausforderung. Aber ich nehme das vor allem als große Chance wahr, gerade durch die Zusammenführung von Wissenschaft und Gesundheit in einem Ressort. Die dringlichste Aufgabe ist nach wie vor, die Berlinerinnen und Berliner gut durch die Corona-Pandemie zu bringen. Die Pandemie ist nämlich noch nicht vorbei und wir dürfen uns durch den erfreulichen Rückgang der Infektionszahlen und der Hospitalisierungen nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Deshalb empfehle ich beispielsweise auch immer noch, in geschlossenen Räumen eine FFP2-Maske zu tragen, auch wenn das in den meisten Bereichen keine Pflicht mehr ist. Und ich empfehle selbstverständlich weiter, dass sich die Bürgerinnen und Bürger impfen lassen, denn die Impfung schützt vor schweren Krankheitsverläufen.

Eine wichtige Lehre aus der Pandemie ist, dass wir uns die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) näher anschauen müssen. Ein Ziel ist es, gemeinsam mit dem Bund und den Bezirken für eine Modernisierung des ÖGD zu sorgen. Sei es durch mehr Personal, durch die Digitalisierung, oder auch im Sinne einer Aufgabenkritik, bei der wir schauen, welche Aufgaben der ÖGD wahrnimmt.

Ein weiteres mir wichtiges Anliegen ist die ganzheitliche und niedrigschwellige Gesundheitsversorgung in ganz Berlin, zum Beispiel durch Stadtteilgesundheitszentren im Kiez, die gesundheitliche und soziale Angebote kombinieren. Solche Angebote gibt es zum Beispiel in  Neukölln und  Lichtenberg bereits, das würde ich gerne ausbauen. Außerdem ist Gesundheitspolitik auch Klima- und Umweltpolitik. Gerade für ältere und vorerkrankte Menschen kann extreme Hitze lebensgefährlich sein. Ich setze mich für ein gesundes Berlin für alle ein: mit Hitzeaktionsplänen zum Schutz von vulnerablen Gruppen, „kühlen Meilen“ nach Wiener Vorbild mit noch mehr öffentlichen Trinkbrunnen und der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zur Erderhitzung. 

Die „große“ Pflegepolitik wird von der Bundesregierung vorgegeben, doch auch auf Länderebene werden entscheidende Weichen gestellt. Was haben Sie sich für Ihre Abteilung Pflege für die nächsten Jahre vorgenommen?

Wichtig für unsere Pflegepolitik ist es, die Pflegedürftigen und ihre Angehörigen stärker in die Planung zu integrieren, Pflegestützpunkte weiter auszubauen und besser zu vernetzen. Im Landespflegeausschuss, Berlins wichtigstem pflegepolitischen Gremium, sollen zukünftig auch Vertreterinnen und Vertreter von Menschen mit Pflegebedarf, pflegenden Angehörigen und beruflich Pflegenden mit Stimmrecht vertreten sein. Gerade im Hinblick auf die zum Glück immer älter werdende Gesellschaft ist es ganz zentral, im Bereich der Pflege gut aufgestellt zu sein. Derzeit laufen bereits die Vorbereitungen für die Landespflegestrukturplanung, die wir neu aufsetzen wollen.

Ganz wichtig ist mir, dass wir mit der Nachwuchsförderung in der Pflege vorankommen, zum einen mit unserem Ausbildungscampus hier in Berlin, aber auch bei der Umsetzung der Reformen, die im Bereich der Ausbildung schon angegangen wurden. Im Herbst startet in Berlin die neue Ausbildung zur Pflegefachassistentin oder zum Pflegefachassistenten. Mit dieser 18 Monate dauernden Ausbildung wird ein attraktiver Einstieg in die Pflege ermöglicht. Es muss uns gelingen, mehr Menschen für den Beruf der Pflege zu gewinnen und auch zu halten. Ich hoffe, dass wir da auch durch die bereits geschlossenen Tarifverträge bei Charité und Vivantes eine Verbesserung sehen.

Für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen gilt seit dem 15. März eine Corona-Impfpflicht. Gibt es Ihrer Kenntnis nach Versorgungsengpässe in den Einrichtungen, wie von vielen Fachleuten vorab befürchtet?

Zunächst möchte ich betonen, dass ich mir eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren gewünscht hätte. Denn die Impfung schützt sehr gut vor schweren Krankheitsverläufen. Wir haben in Berlin die erfreuliche Situation, dass wir in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen bereits eine sehr hohe Impfquote haben, die deutlich über der der Gesamtbevölkerung liegt, in den meisten Einrichtungen über 90 Prozent. Positiv ist außerdem, dass uns aus den Einrichtungen berichtet wird, dass die Impfquote unter den Beschäftigten durch die Meldepflicht nochmal gestiegen ist Versorgungsengpässe wird es nicht geben, weil die bezirklichen Gesundheitsämter zwischen der Gefahr einer Infektion und der Gefahr einer Nichtversorgung abwägen. Ich möchte alle Pflegekräfte dazu aufrufen, sich impfen zu lassen.

In vielen Orten der Bundesrepublik haben Sie gelebt, studiert und gearbeitet, u. a. in Trier, Bayreuth, Heidelberg und Kassel. Nun sind Sie in Berlin tätig. Wie ist Ihr Eindruck von der deutschen Hauptstadt und wo fühlen Sie sich hier besonders wohl?

Mit meinem frischen Blick auf die Stadt kann ich sagen: Berlin funktioniert besser als viele Berlinerinnen und Berliner manchmal meinen. Gerade für mich als Wissenschaftssenatorin ist es natürlich toll, so eine reiche universitäre wie außeruniversitäre Forschungslandschaft zu haben, die auch den Menschen in der Stadt zu Gute kommt. Besonders wohl fühle ich mich am Wasser, bei meinem morgendlichen Blick auf die Spree, wenn dort die Sonne aufgeht.

Das Interview führte Volker Hütte

 

Foto: Vincent Villwock

Ulrike Gote, geboren am 26.10. 1965 in Trier, studierte Geoökologie an der Universität Bayreuth (Abschluss mit Diplom). Wenige Jahre später startete sie ihre politische Laufbahn, sie wurde Stadträtin in Bayreuth, Mitglied des Bayerischen Landtags und ab 2003 Mitglied des Vorstands der Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN. Von 2019 - 2021 war Ulrike Gote Dezernentin für Jugend, Gesundheit, Bildung und Chancengleichheit in Kassel. Seit 2021 ist sie Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung des Berliner Senats.