Nachgefragt

Interview mit Dilek Kalayci, Berliner Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung

 

Frau Kalayci, vor knapp drei Jahren wechselten Sie als Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration in das Ressort Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Welche wichtigen Veränderungen konnten Sie seitdem in Ihrem neuen Ressort herbeiführen?

Wir sind in Berlin im Bereich Gesundheit und Pflege sehr gut aufgestellt und wir arbeiten intensiv daran, noch besser zu werden. Wir haben beispielsweise die Krankenhausinvestitionen von 79 Millionen Euro in 2017 auf 150 Millionen Euro in 2019 erhöht und investieren zusätzlich 26,5 Millionen in den Ausbau von Kreißsälen. Für den neuen Doppelhaushalt hat der Berliner Senat Investitionen in Krankenhäuser in Höhe von 175 Millionen Euro in 2020 und 200 Millionen Euro in 2021 auf den Weg gebracht. Wir arbeiten außerdem daran, die Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zu verbessern, indem wir über den Bundesrat Druck gemacht haben, endlich für vernünftige und bedarfsgerechte Personalschlüssel zu sorgen.

Mir ist aber auch wichtig, dass Berlin selber tätig wird. Deshalb habe ich den „Berliner Pakt für die Pflege“ ins Leben gerufen, in dem ich mit vielen Akteuren aus dem Berliner Pflegebereich, über Lösungen in den Kernbereichen Ausbildung, Vergütung und Familienfreundlichkeit in den Pflegeberufen diskutiere. Gleichzeitig müssen wir in den Gesundheitsberufen auch über die fortschreitende Digitalisierung sprechen. Ich möchte, dass die dort entstehenden Innovationen den betroffenen Menschen zugutekommen und nicht an ihnen vorbei entwickelt werden. Ich habe deshalb die Initiative „Pflege 4.0 – Made in Berlin“ auf den Weg gebracht. Da geht es darum, wie Pflegekräfte durch innovative Digitalanwendungen entlastet werden können, etwa in der Dokumentation ihrer Arbeit oder der Entwicklung von Assistenzsystemen. Im Oktober gestarteten Bürgerdialog Pflege 2030 können übrigens die Berlinerinnen und Berliner selbst mitentscheiden, worauf es Ihnen bei der Pflege in Zukunft ankommt.

Die Bundespolitik hat während der letzten Jahre pflegepolitisch vieles umgesetzt. Welche Kernaufgaben bleiben bezüglich der Pflege Ihrer Landesregierung und wie viele MitarbeiterInnen stehen der Abteilung Pflege dafür zur Verfügung?

Ganz oben steht für mich als Pflegesenatorin die Stärkung der Ausbildung. Nur wenn wir gute und viele Pflegefachkräfte ausbilden, können wir eine gute Pflege sicherstellen. Ebenso wichtig ist es, die pflegenden Angehörigen noch mehr als bisher zu unterstützen. Sie sind ja bekanntermaßen der „größte Pflegedienst Berlins“. Durch Wertschätzung, Information und Unterstützung kann es gelingen, pflegende Angehörige zu stärken. Hierfür hat der Senat die „Berliner Strategie zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen“ verabschiedet. Mit dieser Strategie und den damit verbundenen Maßnahmen nimmt Berlin eine Vorreiterrolle ein. Als zentrale Aufgabe sehe ich auch, den Zugang zu den Leistungen zu verbessern. Hierzu haben wir einen 7-Punkte-Plan zur Stärkung und Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte entwickelt. Diese haben im letzten Jahr fast 63.000 Ratsuchende unterstützt. Hierfür müssen die Stützpunkte gerüstet sein – daher haben wir sie personell gestärkt.

In unserer neu aufgebauten Abteilung Pflege sind über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Die Bandbreite der Pflege-Themen spiegelt sich in den vier Referaten wider. Dort werden unter anderem die komplexen Themenfelder pflegerische Infrastruktur, Leistungsgeschehen, Pflegeberufe und Fachkräftesicherung sowie Digitalisierung und Bürgerbeteiligung bearbeitet.

Im Frühjahr 2019 haben Sie den „Berliner Pakt für die Pflege“ unterzeichnet. Was steht inhaltlich hinter diesem Vertrag und was erhoffen Sie sich mittelfristig davon?

Der Berliner Pakt für die Pflege ist eine Selbstverpflichtung der Unterzeichnenden, sich für bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Bezahlung und steigende Ausbildungszahlen einzusetzen.  Er umfasst drei Handlungsfelder: Bedarfsgerechter Ausbau der Ausbildung; Bessere Vergütung und Gute Arbeit; Gesundheitsmanagement und Familienfreundlichkeit. Mitglieder im Pakt sind bislang Arbeitgeber- und Wohlfahrtsverbände sowie Pflegekassen, die Berliner Krankenhausgesellschaft und Verdi. Wir sind aber jederzeit offen für neue Mitglieder und hoffen, dass noch viele weitere Partner hinzukommen werden. Durch den Pakt für die Pflege soll es gelingen, genügend Auszubildende für die Pflegeberufe zu generieren und sie nach ihrer Ausbildung auch möglichst lange in dem Beruf zu halten. Ebenso sollen Menschen, die bereits in einem Pflegeberuf tätig sind, durch die verbesserten Lohn- und Arbeitsbedingungen motiviert werden, ihre Tätigkeit so lange wie möglich auszuüben, und ehemalige Fachkräfte nach Möglichkeit zur Rückkehr in den Beruf bewegt werden.

Was bedeutet für Sie politische Arbeit in einer Zeit, in der Nationalismus und Populismus Hochkonjunktur haben und die Demokratie in Europa  gefährdet ist?

Wir dürfen uns durch jene, die versuchen die Demokratie zu untergraben, nicht verunsichern lassen. Das ist eine leider viel zu laute Minderheit, während die überwiegende Mehrheit leider viel zu leise ist. Das heißt aber nicht, dass wir alles so lassen können, wie es ist. Wir müssen die Menschen bei unserer Politik noch mehr mitnehmen als vorher und die Bürgerinnen und Bürger an unseren Entscheidungen beteiligen, wie ich das beispielsweise beim Dialog Pflege 2030 mache. Wir müssen als Politikerinnen und Politiker für die Menschen da sein, ihnen zuhören und dann handeln. Das ist mein Leitsatz, den ich als Senatorin, aber auch als Abgeordnete immer verfolgt habe.

 

 

 

 

Foto: ddp Images/Clemes Bilan

Dilek Kalayci, am 7.2.1967 in Kelkit/Türkei geboren, studierte an der TU Berlin mit dem Abschluss Diplom-Wirtschaftsmathematikerin. Seit 2001 ist sie Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. 2004-2018 Kreisvorsitzende der SPD Tempelhof-Schöneberg und Mitglied des Landesvorstandes der SPD Berlin. 2011-2016 Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen. Seit Dezember 2016 ist Dilek Kalayci Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.