Nachgefragt

Interview mit Marian Wendt, Vorsitzender des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages

 

Herr Wendt, wer darf sich mit welchen Anliegen an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wenden?

Das Petitionsrecht nach Artikel 17 des Grundgesetzes steht das „jedermann“ – unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Alter – zu; das bedeutet, man muss weder Deutscher noch volljährig sein, um eine Petition einzureichen. Die Zuständigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages ist gegeben, wenn das Anliegen in das Aufgabenspektrum des Bundes fällt, beispielsweise Beschwerden über Bundesbehörden oder Bitten zur Bundesgesetzgebung.

Können Sie unseren Lesern ein paar Zahlen und Fakten vermitteln? Wie viele Petitionen erreichen den Petitionsausschuss pro Jahr und wie viele werden davon positiv beschieden? Wie viele Personen kümmern sich um die Anfragen und wie lange dauert deren Beantwortung?

Aktuell werden jährlich mehr als 13.000 Petitionen eingereicht. Etwa zwei Drittel davon beinhalten regelmäßig persönliche Anliegen, die beispielsweise die Berechnung von Renten, Gewährungen von Heil- und Hilfsmitteln oder die Ausstellung von Visa durch die deutschen Auslandsvertretungen betreffen. Petitionen von allgemeinem Interesse werden unter bestimmten Voraussetzungen auf unserer Petitionsplattform veröffentlicht. 2019 waren es ca. 900. Angemeldete Nutzerinnen und Nutzer können die Petitionen im Internet diskutieren und mitzeichnen, derzeit sind dies mehr als 3 Millionen. Damit ist das Petitionsportal des Ausschusses nach wie vor das mit Abstand erfolgreichste Internet­angebot des Deutschen Bundestages.

Die Frage nach der positiven Erledigung von Petitionen ist statistisch nicht klar zu beantworten. Durchschnittlich konnte bisher etwa einem Zehntel der parlamentarisch beratenen Petitionen entsprochen werden. Es ist jedoch meines Erachtens auch als Erfolg anzusehen, wenn einer Petentin oder einem Petenten eine staatliche Entscheidung verständlich erklärt wird. Im Sinne des Anliegens ergeht zwar ein negativer Bescheid, aber die Akzeptanz der Entscheidung konnte hergestellt werden.

Die Mitglieder des Petitionsausschusses werden bei der Bearbeitung der Petitionen von ihren persönlichen Mitarbeitern, Fraktionsmitarbeitern sowie von rund 80 Beschäftigten der Unterabteilung „Petitionen und Eingaben“ der Bundestagsverwaltung unterstützt. Die Dauer des Petitionsverfahrens ist immer abhängig von der Besonderheit des Einzelfalles und dessen Aufklärungsbedarf.

Wie kann man sich eine Petitionsberatung vom Ablauf vorstellen? Werden zuständige Ministerien angeschrieben, Fachleute zu Rate gezogen oder wie kommen die Beantwortungen zustande?

Mindestens ein Abgeordneter einer Koalitionsfraktion und ein Abgeordneter einer Oppositionsfraktion nehmen sich einer Petition als Berichterstatter an. Zur Sachverhaltsklärung werden Stellungnahmen der zuständigen Ministerien oder Behörden eingeholt und mit deren Vertretern in Berichterstattergesprächen nach Lösungen gesucht. Insbesondere bei Petitionen im Bereich Bau und Verkehr können Ortsbesichtigungen durchgeführt oder Einsicht in die Akten genommen werden.

Letztendlich berät der Ausschuss auf der Grundlage der Berichterstattervoten und legt dem Plenum eine Empfehlung vor, wie mit der Petition verfahren werden soll. Das Plenum beschließt auf Grundlage dieser Empfehlung, der Beschluss wird dem Petenten mitgeteilt.

Warum sind die Sitzungen des Petitionsausschusses in der Regel nichtöffentlich? Für alle interessierte Bürgerinnen und Bürger könnten Petitionsberatungen von beispielsweise überregionaler Bedeutung doch zu weniger Politikverdrossenheit führen?

Wie bereits erwähnt, machen die persönlichen Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern den Großteil der Arbeit des Petitionsausschusses aus. Diese in öffentlichen Sitzungen zu behandeln, würden regelmäßig Gründe des Datenschutzes entgegenstehen. Daher ist für die sachgerechte Einzelfallberatung der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit sehr wichtig.

Ich begrüße es jedoch sehr, dass Petitionen von besonders großem öffentlichem Interesse, die das Quorum von 50.000 Mitzeichnungen erreichen, im Ausschuss öffentlich beraten werden. Gerade vor ein paar Tagen beriet der Ausschuss Petitionen zur humanitären Krise in Hongkong, zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und zur Änderung des Waffengesetzes. Die öffentlichen Sitzungen sind immer wieder ein Höhepunkt in der Ausschussarbeit.

Seit 2018 sind Sie der Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages. Was haben Sie persönlich aus dieser neuen politischen Erfahrung mitgenommen?

Durch die Arbeit im Petitionsausschuss erhalte ich einen großen Überblick über die Themen, welche die Menschen bewegen. Ich konnte feststellen, dass man hier sehr viel mehr Gestaltungsspielraum hat, als allgemein angenommen und es auch in vermeintlich aussichtslosen Fällen gelingt, Dinge im Sinne der Bürger zu regeln.

Den Petitionsausschuss sehe ich als ein wichtiges Bindeglied zwischen Bevölkerung und Parlament. Die Zahl der eingehenden Petitionen sowie das Interesse an unserer Petitionsplattform zeigen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes engagieren und die demokratischen Möglichkeiten nutzen und wertschätzen. Ich begrüße es sehr, wenn sie von der Möglichkeit des Petitionsrechts Gebrauch machen, denn es garantiert ihnen, dass jede Petition, die beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eingeht, entgegengenommen, parlamentarisch beraten und beschieden wird.                                                                                                          

Foto: Jan Kopetzky

Marian Wendt, geboren am 9.6. 1985 in Torgau, absolvierte ein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt und danach Master of Laws (Recht der öffentlichen Verwaltung). Von 2015 bis 2019 war er Vorsitzender der CDU Nordsachsen, seit 2019 deren stellvertretender Vorsitzender, seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2017 bis 2019 war er Mitglied des Beirates des Bündnisses für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt. Seit 2018 ist Marian Wendt Vorsitzender des Petitionsausschusse des Deutschen Bundestages.