Soziales Engagement

„Moabit hilft“ – Unterstützung für Flüchtlinge und andere Bedürftige

 

Das Haus R auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses Moabit ist ein schlichtes, unscheinbares, und offensichtlich überholungsbedürftiges Gebäude. Außen bröckelt der graue Putz an manchen Stellen, innen ist vieles noch provisorisch. Strom und Licht funktionieren, doch auf den dringend benötigen Internetanschluss warten die neuen Mieter bislang vergebens. Seit dem Juli werden die 250 m² des Hauses vom Verein „Moabit hilft“ genutzt. Die kleineren Räume dienen als Büros der rund 20 anwesenden Mitarbeiter/innen, darunter drei Festangestellte, acht Teilnehmer/innen des Bundesfreiwilligendienstes und weitere Ehrenamtler. Dazu kommen eine Teeküche, die früher als Pförtnerloge diente, ein großzügig geschnittener Gemeinschaftsraum und eine zweigeteilte Kleiderkammer – Ausgabestelle und Lager.

So heruntergekommen der Ort auf den ersten Blick auch erscheinen mag: er ist liebevoll eingerichtet, und für viele Menschen, die ihn aufsuchen, bringt er heiß ersehnte Hilfe und wertvolle Unterstützung. Die Kleiderkammer mit ihrem gutsortierten Angebot an Second-Hand-Ware und teilweise sogar neuwertiger Ware ist auch mit Spielzeug für Kinder und Büchern bestückt. Auch Schuhe werden dort kostenfrei abgegeben, und mit der nun einbrechenden kälteren Jahreszeit wird sich die Kleiderkammer sukzessive mit Notleidenden füllen.

Wer möchte, erhält in Eingangsbereich erst einmal kostenlos einen Tee, einen Kaffee oder ein Glas Wasser und kann anschließend mit den Mitarbeitern über seine Probleme sprechen. Einige benötigen gar keine Kleidung, sondern viel mehr Beratung bei ihren Versuchen, im Berliner Behördendschungel zu ihrem Recht zu kommen. Andere brauchen dringend medizinische Hilfe, wieder andere kommen, weil sie obdachlos sind und eine Wohnung suchen. 

„Unser Ziel ist es, alle Menschen, die uns aufsuchen nach Möglichkeit zu befähigen, ihr Leben irgendwann selbst und unabhängig zu gestalten“, sagt Diana Henniges, die Gründerin von „Moabit hilft“. Seit September 2013 besteht das Projekt, das 2016 als Verein angemeldet wurde und als gemeinnützig anerkannt ist. Die Idee dazu kam ihr im Rahmen ihres nachbarschaftlichen Engagements, als sie etwa einen Flohmarkt für Bedürftige am Hansaplatz organisierte.  Bekannt geworden ist der Verein jedoch als aktive Bürgerinitiative, die sich für den Schutz von Verfolgten und Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention einsetzt. „Wir fördern ganz bewusst auch die Integration, einerseits durch kostenlosen Deutschunterricht in Kooperation mit Partnern, andererseits geben wir den Flüchtlingen die Möglichkeit, sich an unserer Arbeit aktiv zu beteiligen, etwa am letzten Freiwilligentag Anfang September“, so Diana Henniges.

Die studierte Historikerin hat ihr großes soziales Engagement nicht erst mit der Flüchtlingswelle nach Europa entdeckt. Ihr Vater hat ihr ein politisches Verantwortungsbewusstsein abseits der Parteipolitik vorgelebt. Die Tochter, die im Alter  von acht Jahren zum ersten Mal eine Demonstration zum 1. Mai erlebte, hat es angenommen und führt es auf ihre Weise fort. Sie möchte „Moabit hilft“ als politische Organisation verstanden wissen, nicht als reine Spendentante des Vereins Almosen sammeln und weiterreichen, sondern auch dabei helfen, einen gesellschaftlichen Geist zu entwickeln und diesen zu fördern. „Das Projekt lebt von Spenden, sowohl von Geldspenden als auch von Sachmitteln“, sagt die Gründerin, „und wir nutzen sie für die laufenden Kosten des Vereins.“ Aber man achte sehr darauf, sich vor keinen Karren spannen zu lassen und die parteipolitische  Unabhängigkeit und die Souveränität des Handelns nicht zu verlieren.

Diese Souveränität war es, die den Verein überregional bekannt machte. Die Bilder der auf Registrierung und Information wartenden geflohenen Menschen auf dem Areal Turmstraße 21 waren in fast jeder deutschen Nachrichtensendung zu sehen. Eng an eng gedrängt standen sie im Sommer 2015 in teilweise glühender Hitze und warteten und warteten – und kaum etwas geschah. An Spitzentagen waren es bis zu 3.000 Menschen. Über Monate spitzte sich die humanitäre Situation der Flüchtlinge zu, bis „Moabit hilft“ in Eigenregie seinen Hilfseinsatz startete und dadurch auch die Öffentlichkeit auf die Situation an der Aufnahmeeinrichtung aufmerksam machte. Seitdem besserte sich die Situation deutlich.

Wer Motivation und Ziele der Verantwortlichen und ihrer vielen Helfer begreifen möchte, findet eine Antwort auf der Website des Vereins: „Kriege und Vertreibungen führen dazu, dass Flüchtlinge aus den unterschiedlichsten Gebieten der Welt auch zu uns nach Moabit kommen. Sie sind häufig traumatisiert, sprechen kaum oder gar nicht die deutsche Sprache und kennen sich nicht aus. Diesen Flüchtlingen und ihren Kindern wollen wir tatkräftig helfen. Wir unterstützen sie unter anderem mit Beratungen, Vorbereitungen auf die Anhörung beim Bundesamt, Deutschunterricht, Begleitung zu Behörden und Ärzten und bieten Unterstützung bei der Wohnungssuche.“

„Seit längerem stellen wir fest, dass unsere Hilfsangebote auf vielfache positive Resonanz stößt“, berichtet Diana Henniges. Dies gelte sowohl für weite Teile der Berliner Bevölkerung als auch für die Flüchtlinge selbst. „Es ist ein Geben und Nehmen. Wir leisten Hilfe und können gleichzeitigt von den Geflüchteten lernen, wie man in einer Gesellschaft Zusammenhalt und Solidarität praktiziert.“

VH

Diana Henniges, Gründerin von „Moabit hilft“, neben Mitarbeiter Mohammed

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