Soziales Engagement

HateAid – Beratung und Unterstützung von Opfern von Online-Hass

 

Einfache und schnelle Kommunikation, wertvolle Informationsquelle und virtueller Einkaufsort. Diese und viele weitere Vorteile, bietet das Internet tagtäglich rund um die Uhr. Ohne uns groß Gedanken darüber zu machen, nutzen wir die nahezu grenzenlos anmutenden Angebote dieses Mediums, die permanente Nutzung und Verfügbarkeit erscheint uns mittlerweile selbstverständlich. Doch leider tritt die zweite Seite der Medaille, nennen wir sie mal die Schattenseite des Internets, immer erkennbarer und deutlicher hervor. Auf dieser Schattenseite finden wir unter anderem das hohe Suchtpotenzial, das seine Nutzung hat, das Verlernen sozialer Kompetenzen, die sich die Menschheit in Jahrtausenden des realen Zusammenlebens angeeignet hat und die erschreckende Verbreitung von Hass und persönlichen Beleidigungen.

Dieser häufig anonyme, mitunter aber auch unverblümt offen erklärte Hass, hat an Häufigkeit und Brutalität zugenommen. Hielt man diese Verrohung der Sitten anfangs noch für eine vorübergehende Erscheinung, ist für viele Internetnutzer schon längst der Zeitpunkt erreicht, an dem sich Strafverfolgungsbehörden mit aller Entschiedenheit einschalten sollten – nein müssten. Menschen, die all die unsäglichen verbalen Gewaltexzesse nicht länger hinnehmen möchten, können es nicht fassen, dass hier weder von politischer noch von gerichtlicher Seite ernsthaft Einhalt geboten wird. Unternimmt denn niemand etwas dagegen?, fragen sie sich besorgt.

Doch, darf man fast schon erleichtert ausrufen, es gibt einen starken Ansprechpartner, der sich genau das auf die Fahne geschrieben hat. Die gemeinnützige GmbH HateAid mit Sitz in Berlin ist eine Beratungs- und Unterstützungsstelle von Opfern von Online-Hass. Ihr Name setzt sich aus den englischen Wörtern „hate“ (Hass) und „aid“ (Hilfe) zusammen. Ins Leben gerufen wurde sie im Jahr 2017 von Mitarbeiter*innen der Bürgerrechtsorganisationen „Campact“ und „Fearless Democracy“, die sich zuvor schon für ein Internet als freier und demokratischer Raum ohne Gewalt ausgesprochen hatten und daraufhin auf das Übelste beleidigt worden waren.

So hat dann HateAid eine Liste mit politischen Forderungen aufgestellt und diesen eine Art Präambel vorgesetzt: „Wir wollen, dass das Netz ein Raum wird, in dem sich Menschen austauschen und gerne auch in der Sache streiten dürfen. Was wir aber nicht akzeptieren, ist, dass hier das Recht der Stärkeren gilt. Dass die, die am lautesten schreien, dass die, die verleumden, bedrohen und diffamieren am Ende diejenigen sind, deren Stimme übrigbleibt, weil sie alle anderen verdrängt haben. Im Netz müssen unser aller Stimmen Platz haben und dafür wollen wir die Rechte derer stärken, die sonst keine Stimme haben.“

Die Liste der konkreten Forderungen beginnt mit Anerkennung digitaler Gewalt als das was sie ist: Gewalt gegen Menschen. Etwa 2/3 der Betroffenen berichten laut HateAid von „negativen Effekten“ auf die Hassnachrichten, von emotionalem Stress bis hin zu Depressionen. Um die Folgeschäden solcher krassen Auswüchse zu vermeiden, müsste ein gesamtgesellschaftliches Umdenken herbeigeführt werden. Internet-Plattformen müssten strengere Regeln beschließen (und auch umsetzen), Justiz und Gesetzgeber müssten Grundlagen für eine Strafverfolgung bei Zuwiderhandlung schaffen.

An dieser Stelle liefert HateAid einen wichtigen Hinweis: Das deutsche Strafgesetzbuch stammt aus dem Jahr 1871, aus einer Zeit also, als das Telefon seinen Siegeszug begann, an Internet jedoch noch lange nicht gedacht wurde. An vielen Stellen spiegelt sich die hohe Zeitkluft wider, etwa beim Straftatbestand der Beleidigung. Eine Anpassung des Strafgesetzbuches an die damals vollkommen undenkbaren Besonderheiten des Internets in Bezug auf Geschwindigkeit, Reichweite und Dauerhaftigkeit ist längst überfällig. Der digitalen Realität – so HateAid – müsse endlich Rechnung getragen werden, es dürfe nicht sein, dass Verfahren wegen fehlender Gesetzesreformen weiterhin eingestellt würden. Darüber hinaus müssten Internet-Plattformen zur Kooperation verpflichtet und Staatsanwaltschaften für die Bedeutsamkeit von digitaler Gewalt sensibilisiert werden.

Meinungsfreiheit ist in der westlichen Welt ein hohes und verteidigungswürdiges Gut. Doch ihr müssen immer wieder ihre Grenzen gezeigt werden, wenn sie für persönliche Hass- oder Drohgebärden und nicht hinnehmbare Beleidigungen missbraucht wird. Rechtsfreie Räume, wie es das Internet offensichtlich vielerorts ist,  darf es in einer demokratischen Gesellschaft nicht geben.

Die konkrete Hilfeleistung von HateAid hat zwei Schwerpunkte. Zum einen bietet sie Opfern von Hasskommentare eine emotional Erstberatung durch geschultes Personal, zum anderen führt sie über einen Fonds Zivilprozesse gegen Internet-Mobber im Namen der Betroffenen. Prominente Opfer, die von HateAid vertreten wurden, sind die Grünen-Politikerin Renate Künast, die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und der Pianist und Professor Igor Levit. Erstkontakte von Betroffenen können hergestellt werden über ein Kontaktformular auf der Website www.hateaid.org oder über die Betroffenenberatung unter der Rufnummer 030-252 088 38.

Die gemeinnützige GmbH finanziert sich einerseits durch öffentliche Förderung, andererseits durch private Spenden und Zuwendungen von Stiftungen und Organisationen. Nach dem Solidaritätsprinzip spenden zumeist auch diejenigen Opfer, die mit Hilfe von HateAid erfolgreich Schmerzensgelder einklagen konnten, die entsprechenden Summen zurück.   

VH

 

Foto: HateAid

Anna Lena von Hodenberg, Gründungsgeschäftsführerin von HateAid