Soziales Engagement

Die Initiative "Alles im Fluss"

 

Berlin zählt zu den wasserreichsten Städten Deutschlands. Die Wasserfläche der Hauptstadt nimmt knapp sieben Prozent des Stadtgebietes ein – das ist eine Fläche so groß wie die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg zusammen. Flüsse, Kanäle und Gräben ziehen rund 330 km durch die Stadt, dazu kommen zahlreiche Seen und Weiher, wie der Wannsee, der Müggelsee, der Tegeler See und viele andere. Kilometerlange Uferzonen laden zum Verweilen und Baden ein und erhöhen den Freizeit- und Erholungswert Berlins.

Doch diese naturheitere Beschreibung, die in ähnlicher Form auch in einer Werbebroschüre für Berlin enthalten sein könnte, hat in der Realität einen äußerst faden Beigeschmack. Da die ufernahen Erholungsgebiete an vielen Tagen im Jahr zigtausende  Besucher  anziehen, bleibt beim Verlassen der Picknickwiese, der Grillfläche oder des Schäferstündchens häufig Abfall zurück. Auf Liegewiesen und Uferstreifen werden Essensreste, Plastikflaschen, Servietten, Zigarettenstummel oder Kinderwindeln „vergessen“, türmt sich Verpackungsmüll neben hoffnugslos überfüllten Mülleimern. Häufig genügt ein etwas stärkerer Wind, um einen erheblichen Teil davon direkt in die Flüsse und Seen wehen zu lassen. Diese transportieren den Müll dann in die Weltmeere mit all den gravierenden ökologischen Folgen für unsere heimische und die globale Flora und Fauna.

Nicht zu vergessen ist hierbei der Anteil der berlinweiten Schifffahrt. Ausflugsboot, Binnenschiffer und große Tanker – sie alle leiten durch Verklappung  Abfälle direkt in die Gewässer. Davon sind mehr als die Hälfte Plastikprodukte.

Welche gesundheitlichen Schäden Plastik und seine Kleinstpartikel – der sogenannte Mikroplastik – in unseren Körpern anrichten, ist bislang nicht gänzlich erforscht. Wissenschaftliche Untersuchungen lassen jedoch den begründeten Verdacht zu, dass die mikroskopisch kleinen Teilchen auch bei Menschen in die Körperzellen eindringen und dort Entzündungen verursachen könnten. So wird wahrscheinlich das Lungengewebe durch eingeatmetes Mikroplastik geschädigt, andere Teilchen könnten sich in den Lymphknoten des Darms ansammeln.  

Um die Berliner Gewässer und seine Ufer vor Unrat und Müll zu befreien, hat sich im Jahr 2017 eine Initiative gegründet. „Alles im Fluss“ nennt sie sich treffend, und sie befindet sich seitdem in der Trägerschaft von wirBERLIN gGmbH, einer Organisation, die sich für nachhaltige Stadtentwicklung einsetzt und diese aktiv mitgestaltet. Wichtig ist den Initiatoren hierbei, dass die Mitverantwortung der Berliner für das eigene Wohn- und Lebensumfeld gestärkt werden soll. Die städtischen und bezirklichen Organe alleine sind mit einer solchen Aufgaben wie Entmüllung der Seen und Flüsse heillos überfordert. Ohne großes bürgerschaftliche Engagement sei das kaum zu stemmen, lautet der einhellige Tenor der Fachleute. Deshalb müsse die Stadtgesellschaft für die Problematik sensibilisiert werden und ebenso die Hilfsbereitschaft der Bürger untereinander und die Identifikation mit ihrer eigenen Stadt.

Inzwischen sind der Initiative „Alles im Fluss“ etliche Organisationen und Verbände beigetreten, wie die sehr informative Website www.allesimfluss.berlin berichtet. Tourismusunternehmen, Reedereien, Umweltorganisationen, die Berliner Stadtreinigung und die Berliner Wasserbetriebe, die Technische Universität und auch private Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und sind mit Rat und vor allem Tat zur Stelle. Das Fachwissen eines jeden neuen Partners fließt mit in die Planungen der Initiative – und die sind recht weit vorangeschritten.

„Drei Säulen der Veränderung benötigen wir“, hat es Beate Ernst, die Gründerin der Initiative, einmal formuliert: Über das bürgerschaftliche Engagement wolle man durch Information, Prävention und Bildung das Bewusstsein der Menschen ändern. Zudem müsse die Politik die Bedingungen für das Sanktionieren von Umweltschädigung schaffen beziehungsweise die Gesetzeslage  konsequent umsetzen. Das heißt, Umweltsünder müssen härter als bisher spüren, was die Verschmutzung an Strafen mit sich bringt. Und drittens müsse sich der Gesamtzustand der Stadt in Richtung Sauberkeit verbessern, denn erfahrungsgemäß sei die Hemmschwelle, saubere Plätze zu verschmutzen größer als ohnehin schon vernachlässigte und dreckige.  

Wussten Sie, wie schwer zersetzbar Plastik in freier Natur ist? Eine Plastiktüte braucht 10 bis 20 Jahre, Styropor etwa 50, eine PET Flasche 450 Jahre, bis sie zersetzt sind und in kleinste Teile aufgehen. Wasservögel, Säugetiere und Fische verwechseln Plastik des Öfteren mit Nahrung und verhungern bei vollem Magen. Oder sie verfangen sich in Tüten und Netzen und ersticken. Mikroplastik landet schließlich über die Nahrungskette auch auf unseren Tellern: Mehr als die Hälfte der untersuchten Fische wie Hering, Flunder oder Scholle aus Nord- und Ostsee enthielten bereits Mikroplastik. Die Tendenz ist dabei steigend.

So kann der Schutz von Gewässern und seiner Ufer nur als gesamtgesellschaftliche Angelegenheit und Aufgabe angesehen werden. Die Arbeit den Müllschiffen der Berliner Senatsverwaltung zu überlassen, reicht nicht aus. Es ist kaum zu glauben, dass diese Spezialschiffe pro Jahr mehr als 700 m³ Müll von den Wasseroberflächen an Bord hieven, was in etwa der Ladung von 14 Güterwaggons entspricht. Müll und Schrott an Böden der Gewässer sind dabei nicht mitgezählt. Der nächste große Aktionstag des World Cleanup Day Berlin ist am 19.9.2020. Jeder, der mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen.   

VH                                         

Foto: Alles im Fluss

Freiwillige bei der Entmüllung der ufernahen Erholungsgebiete

Foto: Alles im Fluss

Gewässerschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe