Soziales Engagement

Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“

 

Viele Jahre lang hat sich die Bundesregierung schwer damit getan anzuerkennen, dass die Demokratie auch hierzulande unter massiven Druck geraten ist. Bis auf den Linksterrorismus in den 1970er Jahren gab es keine ernstzunehmende Gefährdung des demokratischen Prinzips in Deutschland seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949. Mit dem Erstarken der politisch rechten Szene und der Radikalisierung einiger ihrer Anhänger hat sich das Bild jedoch gewandelt. Die Sorgenfalten etlicher demokratieliebender Politiker dürften in den letzten Jahren größer geworden sein.

Millionenschwere Programme zur Förderung und Unterstützung der Demokratie wurden plötzlich beschlossen. Das Innenministerium ließ beispielsweise über die Bundeszentrale für politische Bildung das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ verwirklichen. Auch das Familienministerium war sich seiner Verantwortung bewusst. Noch unter Ministerin Manuela Schwesig wurden 2015 das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ auf den Weg gebracht. Mit diesem Projekt wollte das Ministerium das zivilgesellschaftliche Engagement für die Demokratie und gegen Extremismus unterstützen. Gefördert wurden Projekte von Organisationen, Initiativen, Vereinen und Bürgern auf kommunaler, regionaler und überregionaler Ebene.

Im Startjahr 2015 standen den Projekten insgesamt 40,5 Millionen Euro zur Verfügung. Schon 2016 wurde das Budget auf 50 Millionen Euro erhöht und anschließend 2017 sogar auf 104,5 Millionen Euro verdoppelt. Unter Ministerin Franziska Giffey, seit März 2018 Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, erreichte die jährliche Förderung mit 115 Millionen Euro ihren Höhepunkt. Noch entscheidender ist aber der Entschluss des Ministeriums sowie der Bundesregierung gewesen, das 2019 ausgelaufene Programm nicht zu beenden. Statt dessen wurde eine zweite Förderperiode von 2020 bis 2024 auf den Weg gebracht.

Aktuell werden in ganz Deutschland insgesamt 300 Städte, Gemeinden und Landkreise darin unterstützt, konkrete Konzepte und Maßnahmen zur Förderung von Demokratie und Viel-falt zu entwickeln. Die Strategie setzt auf ein gemeinsames Handeln des Bundes, der Länder und der Kommunen und – ganz wichtig – Akteuren der Zivilgesellschaft. Die geförderten Projekte sollen allesamt an den entscheidenden Orten präsent sein, die für Extremismusprävention und Demokratieförderung so bedeutsam sind: Kommunen und Landkreise, Institutionen, Vereine und Verbände, Schulen und viele andere Orte, an denen sich Menschen für die Stärkung der Demokratie und die Verteidigung der Menschen- und Freiheitsrechte einsetzen. Zugleich will die Bundesregierung auch verstärkt Präsenz im Internet zeigen.

„Die Demokratie, in der wir leben, ist nicht für immer und ewig garantiert. Wir müssen uns aktiv um sie kümmern und vor allem denen den Rücken stärken, die sich für eine offene, vielfältige Gesellschaft und ein friedliches Miteinander einsetzen“, beschwor Franziska Giffey bei einer Pressekonferenz anwesende Akteure aus allen Bundesländern. Für die nächste Förderperiode ab 2020 habe man mehr als 800 Bewerbungen erhalten. Das zeige, wie groß das Engagement im Land ist und dass die Unterstützung durch den Bund nachgefragt werde und dringend notwendig sei. „Gesellschaftlicher Zusammenhalt und der Kampf gegen Rechtsextremismus entscheidet sich vor allem vor Ort, da, wo Nachbarn und Dorfgemeinschaften zusammenkommen.“

Geht man bei der Frage ins Detail, welche Ideen und Projekte konkret unterstützt werden, dann wird man feststellen, wie vielfältig diese sind. Einige Beispiele:
* Gestaltung von Ausstellungen

* Aktionstage und Workshops zur Demokratiestärkung

* Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, beispielsweise zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz

* Begegnungsprojekte etwa im Zusammenhang von Migration und Vorurteilsabbau

* Jugendprojekte wie Straßenkunst, Theaterprojekte und Medien-Workshops

* Erstellung von Arbeits- und Informationsmaterialien

Um ein aktuelles Beispiel aus Berlin zu bringen: Das Jugendamt des Bezirks Mitte von Berlin ist geförderter Partner des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ Zum Projektziel hat sich das Jugendamt gesetzt, für die Bundestagswahl 2021 Nicht- und ErstwählerInnen zu aktivieren und sie davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen. Vom Koordinierungsbüro in der Fabrik Osloer Straße werden hierfür geeignete Maßnahmen entwickelt. Dazu zählen unter anderem ein Wahlbeteiligungsprojekt an Schulen mit Sprachlernklassen, eine Aufklärung zu sogenannten „Fake News“ (manipulierende, vorgetäuschte Nachrichten) und Hassreden im Internet, Gesprächsveranstaltungen mit Beteiligung von Politikern sowie Bildungsangebote zum demokratischen Wahlsystem in Deutschland.

Ein vorbildliches Projektangebot betrifft die Nutzung des Wahl-O-Mats. Diese Wahlempfehlungsanwendung im Internet bietet interessierten Wählern die Möglichkeit, durch die Bewertung von politischen Standpunkten die eigene Meinung mit den Meinungen der zur Wahl stehenden Parteien zu vergleichen. Wer sie jemals genutzt hat, weiß wie wertvoll sie sein kann. Wenn nun bei Nicht- und ErstwählerInnen mit Unterstützung von mehrsprachigen Wahlhelfern und einer vereinfachten Version des Wahl-O-Mats eine gewisse Begeisterung für Wahlen geweckt wird, zumindest aber eine Akzeptanz, ist schon viel gewonnen.

Nicht jedes Projekt wird von nachhaltigem Erfolg gekrönt sein, diese Einschätzung sei an dieser Stelle erlaubt. Doch jeder Mensch, ob als Jugendlicher mit Migrationshintergrund oder politikverdrossener Senior im ländlichen Raum, der für ein demokratisches Miteinander (zurück)gewonnen wird, ist ein Gewinn für unsere pluralistische Gesellschaft.              

VH

 

 

Foto: SPD Berlin

Brachte eine 2. Förderperiode ein: Familienministerin Dr. Franziska Giffey