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Mindestlöhne in der Pflege

 

Seit Jahren, nein eigentlich seit Jahrzehnten fordern Politiker aller Parteien, Fach- und Berufsverbände der Pflege sowie Patientenorganisationen, dass sich die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der Pflegenden dringend verbessern müssten. Der Pflegeberuf müsse attraktiver gestaltet werden, denn der ohnehin schon hohe Bedarf an Pflegekräften werde in Zukunft noch steigen. Etliche Gesetze wurden während der letzten Legislaturperioden deshalb im Pflegebereich erlassen, der Posten eines Pflegebeauftragten der Bundesregierung erschaffen, Sonderprämien wurden ausgedacht und die Pflegeausbildung reformiert.

Nun aber wird der ganz große Wurf angekündigt. Unter der Federführung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wurde am 20. April 2022 die „Fünfte Pflegearbeitsbedingungenverordnung“ erlassen. Zentraler Inhalt dieser Verordnung: Für Pflegende gibt es seit dem 1. Mai mehr bezahlten Erholungsurlaub und höhere Mindestlöhne. „Der Anspruch auf das Mindestentgelt und auf Mehrurlaub werden spürbar erhöht“, ist sich Hubertus Heil sicher.

Der Minister für Arbeit und Soziales fügt auch gleich hinzu, für wen diese  Regelung zutrifft. Sie gilt primär für Pflegebetriebe, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Dazu zählt der Gesetzgeber auch Betreuungsdienste nach §71 SGB XI. Die Verordnung gilt nicht für zum Beispiel für Einrichtungen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation und auch nicht für Pflegende in Krankenhäusern.

Wie sieht nun die Erhöhung des Pflegemindestlohns konkret aus?

Zunächst einmal wird prinzipiell zwischen drei Berufsgruppen unterschieden: den Pflegehilfskräften (1), den mindestens einjährig qualifizierten Pflegehilfskräften (2) und den Pflegefachkräften (3). Bei der Gruppe 1 erhöhte sich der Mindestlohn zum 01.5.2022 auf 12,55 € pro Stunde. Ab dem 01.09.2022 sind es 13,70 €, ab dem 01.05.2022 werden es 13,90 € und ab dem 01.12.2022 dann 14,15 € sein.

Bei der Gruppe 2 lauten die Stundenlöhne zu den gleichen Zeiten: 13,20 €, 14,60 €, 14,90 € und 15,25 €. Und schließlich die Zahlen für die Gruppe 3: 15,40 €, 17,10 €, 17,65 € und 18,25 €. Bei allen erwähnten Zahlen handelt es sich um Bruttostundensätze.

Sämtliche Erhöhungen basieren auf den Empfehlungen der Pflegekommission. Dieses achtköpfige Gremium besteht aus vier Ver-tretern der Arbeitgeberseite (unter anderen der bpa Arbeitgeberverband sowie der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP). Für die Arbeitnehmerseite nehmen zwei Vertreter*innen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sowie je ein Vertreter der Dienstnehmerseite der Caritas und der Diakonie teil. Die Kommissionsvorschläge wurden vom Arbeitsministerium 1:1 übernommen.

Wenn es sich bei dem Unternehmen um einen Pflegebetrieb handelt, gelten die Mindestarbeitsbedingungen zunächst einmal für den ganzen Pflegebetrieb. Einschränkend muss jedoch hinzugefügt werden, dass diejenigen, die typischerweise keine pflegerischen Tätigkeiten ausüben, nicht betroffen sind. Dies gilt beispielsweise für die Verwaltung, für die Haustechnik, für Küchenangestellte oder für die Wäscherei.

Eine weitere signifikante Verbesserung für die Arbeitssituation für pflegendes Personal wird durch eine neue Mehrurlaubregelung erreicht. Der gesetzliche Mindesturlaub steigt stark an. Ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche erhöht er sich für das Jahr 2022 um sieben Tage und für die Jahre 2023 und 2024 um neun Tage. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Anspruch darauf nicht vorhanden ist, wenn pflegende Arbeitnehmer*innen bereits nach anderen Regelungen (beispielsweise nach gültigen Tarifverträgen) bezahlter Erholungsurlaub zusteht.

Ein Beispiel hierfür soll Klarheit schaffen: Eine Arbeitnehmerin, deren regelmäßige Arbeitszeit sich auf fünf Tage in der Woche verteilt, hat neben dem gesetzlichen Mindesturlaub von bislang 20 Tagen bereits einen Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub von zwei weiteren Tagen. In diesem Fall würde der Mehrurlaub nach der neuen Pflegearbeitsbedingungsverordnung nur auf fünf weitere Tage für 2022 angehoben werden, für 2023 und 2024 dann entsprechend auf sieben weitere Tage.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der  Pflegestation Jahnke sind von der neuen Mindestlohnregelung nicht betroffen. In der Birkenstraße wird schon lange deutlich mehr bezahlt als der vereinbarte Mindestlohn. Doch all diejenigen Pflegebetriebe, die die Mindestlohnerhöhung finanzieren müssen, stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht durch ein noch höheres Arbeitspensum für die Mitarbeiter kompensiert wird, was dann wiederum zu Lasten der Patienten fallen würde.

Die ehemalige Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, die für das Bundesarbeitsministerium mit in der Pflegekommission saß, drückt ihre Zufriedenheit über das Ergebnis aus: „Ich freue mich, dass die Pflegekommission innerhalb weniger Wochen eine einstimmige Empfehlung zur Anhebung von Pflegemindestlöhnen und Mehrurlaub erzielt hat. Diese Anhebung ist die bislang stärkste Steigerung für Pflegekräfte in Deutschland und damit gemeinsam mit der deutlichen Ausweitung des Mehrurlaubs auch vor dem Hintergrund zusätzlicher Belastungen infolge der Corona-Pandemie ein klares Signal für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche. Die Pflegekommission ist sich aber darüber im Klaren, dass die Arbeitsbedingungen für diese anspruchsvolle Tätigkeit weiter verbessert werden müssen.“                   

VH

Foto: BMAS - Dominik Butzmann

Bundesarbeitsminister Helmut Heil