Nachgefragt

Interview mit Kirstin Bauch, Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf

 

Frau Bauch, Ihr erstes Jahr als Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf neigt sich bereits dem Ende entgegen. Was waren für Sie größten Herausforderungen und die größten Überraschungen?

Meine größte Herausforderung war natürlich, mich möglichst rasch in mein Ressort einzuarbeiten und meine Mitarbeiter:innen kennen zu lernen. Als Bezirksbürgermeisterin verantworte ich die Abteilungen Personal, Finanzen und Wirtschaftsförderung. Der Bereich Finanzen hat meine Kollegen und mich vor erhebliche Herausforderungen gestellt, weil die Senatsfinanzverwaltung für die Bezirke eine sogenannte vorläufige Haushaltsordnung angeordnet hat. Das heißt, es darf neben den Pflichtausgaben, die den größten Teil unseres Haushalts ausmachen, nur Geld ausgegeben werden, wenn es unbedingt erforderlich, weil beispielsweise Gefahr im Verzug ist oder Mittel zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs vonnöten sind. Das hat uns sehr behindert. Noch schwieriger wurde es allerdings, als den Bezirken erneut große Einsparungen abverlangt wurden. Wir haben uns nach der „Sparen-bis-es-quietscht“-Ära gerade langsam wieder berappelt und stehen jetzt wieder vor der Situation, dass uns in vielen Bereichen für Innovationen die Hände gebunden sind.

Als sehr positiv habe ich die Begegnungen innerhalb und außerhalb des Rathauses empfunden. Ich bin auf sehr viele Menschen mit großem Enthusiasmus und viel Kreativität getroffen, das möchte ich gern erhalten und in meine Arbeit einfließen lassen.

In den Berliner Bezirksämtern fehlt Personal an allen Ecken und Enden. Wie sieht die Situation in Ihrem Bezirk aus – und was können Sie als Bezirksbürgermeisterin unternehmen, um Abhilfe zu schaffen?

Wie oben bereits erwähnt, konnten wir im ersten Halbjahr meiner Amtszeit wegen der vorläufigen Haushaltwirtschaft nur wenig tun, um unseren Personalbestand aufzustocken, auch, wenn das dringend nötig ist. Jetzt können wir wieder ausschreiben und bemühen uns um junge Nachwuchskräfte, da wir wie die meisten Behörden sehr darunter leiden, dass viele Mitarbeiter der Babyboom-Generation demnächst in Rente gehen. Wir konkurrieren allerdings in den sogenannten Mint-Bereichen, also technischen Berufen wie beispielsweise einem Tiefbauingenieur, nicht nur sehr stark mit den anderen Landes- und Bundesbehörden, die in der Regel besser bezahlen, sondern auch mit der freien Wirtschaft. Wir bemühen uns aber mit familienfreundlichen Angeboten und flexiblen Arbeitszeiten bei Bewerber:innen zu punkten.

Viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind auch in Charlottenburg-Wilmersdorf angekommen. Etliche von ihnen wollen hier dauerhaft bleiben. Welche Perspektiven kann die Bezirksverwaltung diesen Menschen bieten?

Die Mehrzahl der Kriegsflüchtlinge, die in Charlottenburg-Wilmersdorf angekommen sind, wurden von Privatpersonen in deren Haushalt aufgenommen. Sie dürfen sich hier zunächst als Touristen aufhalten und erhalten auf Antrag finanzielle Unterstützung im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes. Außerdem können Sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragen und erhalten damit auch eine Arbeitserlaubnis. Viele der Flüchtlinge sind beruflich gut qualifiziert, sodass es zu Beginn darauf ankommt, die deutsche Sprache zu erlernen. Dazu werden Sprachkurse von vielen Seiten angeboten. Flüchtlinge, die keine Privatunterkunft finden, werden über das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten oder über das Amt für Soziales in Wohnheimen oder Pensionen untergebracht.

Langfristig am schwierigsten ist es mit Sicherheit, für alle eine dauerhafte Wohnung zu finden. Allerdings wird es sehr stark  davon abhängen, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt und wie viele Flüchtlinge dauerhaft in Berlin bleiben werden. Alle Bereiche im Bezirksamt unterstützen die Geflüchteten bei ihren Anliegen.

Gas und Öl werden wegen des Ukraine-Krieges zu teuren Ressourcen. Das Gebot der Stunde lautet: Einsparungen. Wo sehen Sie auf bezirklicher Ebene Einsparmöglichkeiten?

Alle Einsparungen, die wir als Bezirk vornehmen können, müssen sehr gut abgewogen werden, besonders im Hinblick auf sensible Bereiche. Wir können die Außenbeleuchtung von Gebäuden und Sportanlagen abschalten. Dabei müssen wir aber immer die Beleuchtung von  Verkehrswegen im Rahmen der Verkehrssicherung, der Vermeidung von Angsträumen, Einbruchschutz und Arbeitsbeleuchtung im Blick haben. Auch die Absenkung der Raumtemperatur in der Verwaltung, Schulen und öffentlichen Einrichtung setzen wir im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen um. Auch hier gilt die differenzierte Betrachtung sensibler Bereiche wie Kindertagesstätten. Wir stehen hier vor schwierigen gesellschaftspolitischen Entscheidungen, bei denen es immer wieder um Abwägungsprozesse geht. Dieses Abwägen ist die Aufgabe der Politik und lässt uns manchmal etwas behäbig wirken, wenn es um schnelle Entscheidungen geht.

Die Kiezspaziergänge durch Ihren Bezirk haben eine lange Tradition, Ihre Vorgänger*innen haben sich regelmäßig daran beteiligt, Sie setzen das nun fort. Was macht den Charme dieser monatlichen Veranstaltungsreihe aus?

Charme ist genau das richtige Wort. Mit oft fast 200 Menschen durch den Kiez zu spazieren und Neues über den Bezirk zu erfahren oder bekanntes Wissen miteinander zu teilen hat seinen ganz eigenen Charme. Es ist ja keine einseitige Wissensvermittlung oder Unterhaltung, sondern beruht auf Gegenseitigkeit. Ich selber profitiere ganz viel von den Geschichten und Erfahrungen der Teilnehmer:innen. Historie auf so eine Art erfahrbar zu machen ist etwas Besonderes.

Das Interview führte Volker Hütte

Foto: ©britibay

Kirstin Bauch wurde 1980 in Stuttgart geboren, doch in Berlin wuchs sie auf. An der Humboldt-Universität hat sie den Abschluss in Sozialwissenschaften gemacht. Die langjährige Berufserfahrung als Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen Charlottenburg-Wilmersdorf und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag sind eine breite Basis für ihre Arbeit als Ihre Bezirksbürgermeisterin.