Soziales Engagement

Der Deutsche Naturheilbund e.V.

 

Mit dem Begriff Naturheilkunde werden unterschiedliche Ansätze und Methoden umschrieben, welche die körpereigenen Fähigkeiten zur Selbstheilung aktivieren sollen. Um das zu erreichen, werden in erster Linie die  in der Natur vorkommenden Mittel oder Reize angewendet. Dazu gehören die Sonne, das Licht, die Luft, die Bewegung, die Ruhe, die Nahrung, das Wasser, die Kälte, die Erde, die Atmung sowie die Gedanken- und Willenswelt. In einem weiter gefassten Verständnis werden auch „natürliche“ Arzneimittel vor allem Heilpflanzen und deren Zubereitungen miteinbezogen.

Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Deutschland eine sich rasch etablierende naturheilkundliche Laienbewegung. Aufkommende Industrialisierung, die 60-Stunden-Arbeitswoche  Verstädterung und Verdichtung der Lebensräume erzeugten soziale Spannungen und belasteten zunehmend Gesundheit und Lebensqualität. Nur wenige Menschen konnten sich die Dienste examinierter Ärzte leisten.

In dieser Situation wandten sich immer mehr Bürger sogenannten Laienheilern zu. Diese häufig als „Kurpfuscher” beschimpften Behandler verfügten über Erfahrungen in der Anwendung einfacher natürlicher Mittel. In den 1830er Jahren erlangten die Heilerfolge von Vincenz Prießnitz (1799-1851) in Europa eine hohe Popularität, er schuf mit den Heilkräften des Wassers, der Ernährung und der Bewegung an Licht und Luft ein ganzheitliches Kursystem und begründete damit das Fundament der neuzeitlichen Naturheilkunde. Zahlreiche Wasserheilanstalten unter ärztlicher Leitung entwickelten dieses Kurmodell wegen seiner hohen Effizienz weiter. Zum Gedenken an seine medizinischen Verdienste ehrte die Weltkultur- und Bildungsorganisation UNESCO 1999 Prießnitz zu seinen 200. Geburtstag.

Vor diesem Hintergrund und mit Prießnitz‘ hohem Bekanntheitsgrad entfaltete sich seit den 1830er Jahren die Nachfrage nach einfachen Heilmethoden, die sich im Wesentlichen auf Erfahrungen medizinischer Laien stützte. Die Anwendung von Wasser zu Heilzwecken in Form von Bädern, Waschungen, Trinkkuren und Umschlägen waren schon länger bekannt und gehörten früher auch zum Heilschatz von Ärzten. Am Beginn des 19. Jahrhunderts aber geriet die Wasserheilkunde, die den Ausgangspunkt der neuzeitlichen Naturheilkunde bilden sollte, weitgehend aus dem Blickfeld.

Im Jahr 1889 schließlich wurde der „Deutsche Bund der Vereine für Gesundheitspflege und arzneilose Heilweise“ in Berlin gegründet. Schon 1912 vereinte der Dachverband etwa 900 Ortsvereine mit fast 150.000 Mitgliedern. Alsbald erschien im eigenen Verlag das Mitgliederorgan „Naturarzt“, das auch heute noch als selbständige monatliche naturheilkundliche Zeitschrift den Mitgliedern zugesandt wird. Von  1927 bis zur Enteignung 1946 verfügte der Verband über das erste Lehrkrankenhaus für Naturheilkunde, das Prießnitz-Krankenhaus in Mahlow bei Berlin, das einem Lehrstuhl für Naturheilkunde an der Berliner Charité angeschlossen war.

Zur zweiten großen naturheilkundlichen Erfolgsgeschichte nach der Wasserheilkunde wurde die Luftkur. Im 19. Jahrhundert propagierten etwa zeitgleich mehrere deutschsprachige Mediziner die Wirksamkeit der Luftkur vor allem bei Tuberkulose, wobei das Höhenklima besonders hervorgehoben wurde. Die Liegekur ist wohl das grandioseste Beispiel für eine erfolgreiche psychosomatische Behandlung einer organischen Erkrankung. Bis zur Einführung wirksamer Medikamente nach dem Zweiten Weltkrieg blieb sie die wichtigste Maßnahme der Behandlung bei Tuberkulose.

Heute ist der Deutsche Naturheilbund – wie der Verein inzwischen heißt – der Dachverband der deutschen Naturheilvereine. Er ist unabhängig, gemeinnützig, politisch und konfessionell neutral und vertritt keine berufspolitischen oder kommerziellen Interessen. Er hat allerdings den Anspruch, für seine Mitglieder als gewichtige Stimme in der Gesundheitspolitik und der Gesundheitsbildung aufzutreten.  Seine Arbeit finanziert der DNB aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Gemeinsam mit den Vereinen leistet er satzungsgemäß einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Gesundheitsförderung. Schon seit geraumer Zeit fordert der Dachverband, dass die Naturheilkunde Bestandteil in der medizinischen Aus- und Weiterbildung wird.

Die Naturheilkunde umfasst ein breites Spektrum an Methoden und Verfahren, die die Selbstheilungskräfte des eigenen Körpers aktivieren sollen. Die Alternativmedizin bedient sich bevorzugt in der Natur vorkommender Mittel. Pfarrer Sebastian Kneipp – neben Prießnitz der zweite wichtige Vordenker – entwarf fünf Säulen der Naturheilkunde. Vor rund 130 Jahren hatte er selbst unter einer Lungenerkrankung gelitten, die Ärzte hatten ihm nicht helfen können. Also unternahm er im Selbstversuch kurze Kaltwasserbäder in der Donau, nachdem er davon in einem Buch darüber gelesen hatte.

Animiert von seinen Erfolgen entwickelte er seine bekannte ganzheitliche Therapie mit der Pflanzheilkunde, der Ordnungs-, Ernährungs-, Hydro- und Bewegungstherapie. Der Deutsche Naturheilbund hat vor kurzem eine sechste Säule hinzugefügt: Umweltbewusst erleben. Welche Umwelteinflüsse greifen unsere Gesundheit an? Schadstoffe in der Luft, in der Nahrung, Chemikalien oder Baustoffe. Wer Gefahrenquellen erkennt, kann vorbeugen.          

VH

Foto: ©Creative Commons CC BY-SA 3.0

Kneippkur-Illustration aus dem Jahr 1894