Nachgefragt

Interview mit Elke Schilling, Initiatorin der Hotline „Silbertelefon“

 

Frau Schilling, was verbirgt sich hinter dem schönen Namen „Silbertelefon“ und seit wann existiert es?

Das Silbertelefon ist das Basisangebot des Vereins Silbernetz, der insgesamt drei Angebote präsentiert: das erste ist die Telefonhotline Silbertelefon, das zweite sind die ehrenamtlichen Silbernetz-Freundinnen und -freunde, die einmal in der Woche „ihren“ alten Menschen für ein persönliches Telefonat anrufen und das dritte ist die Silberinfo. Damit bezeichnen wir ein Dateiensystem, das wir füttern, um Informationen zu vermitteln über Angebote im Wohnungsumfeld unserer AnruferInnen. Alte Menschen wissen erfahrungsgemäß häufig nicht, welche Angebote existieren, und sie haben auch nicht den Zugang zu den entsprechenden Informationen, die für junge Menschen selbstverständlich sind. Ich denke hier vor allem an das Internet.

Das Silbertelefon ist eine Einrichtung, die Anrufe von Menschen entgegennimmt, die alleine zu Hause sind und einfach mal einen anderen Menschen zum Reden brauchen. Das Angebot steht seit etwa zwei Jahren und galt bis vor kurzem berlinweit.

Sie haben dieses Angebot nun ausgedehnt auf den bundesweiten Bereich. Was war der Hintergrund der Angebotserweiterung?

Zum einen hatten wir sehr viele Anfragen erhalten nach unserer Aktion „Feiertagstelefon“, als wir um die letzte Weihnachtszeit herum schon einmal kurzzeitig deutschlandweit geschaltet waren. Zum anderen liegt es tatsächlich an der aktuellen Corona-Krise. Das Bedürfnis, mit anderen Menschen zu sprechen, ist inzwischen nicht nur bei unserer bisherigen Klientel vorhanden. Es betrifft inzwischen auch diejenigen, die als Risikogruppe in die Isolation müssen oder sich freiwillig zurückziehen. 

Wer hat Sie unterstützt bei der bundesweiten Schaltung, die ja mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist?

Die telefonische Umstellung hat unsere Techniker sicherlich nicht vor ganz große Probleme gestellt. Viel wichtiger war in der Angelegenheit die Zustimmung unserer Berliner Geldgeber, des Senates von Berlin und anderer. Schließlich geht es hierbei um die Finanzierung eines Angebots, das weit über die Grenzen Berlins hinausreicht. Doch die Zustimmung kam angesichts der dramatischen Corona-Krise sehr zügig, und dafür sind wir alle auch sehr dankbar.

Parallel dazu sind wir seit Mitte März Teil des Netzwerkes Gemeinschaft.Online.  Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Menschen, Firmen und Organisationen, die sich in Zeiten der Corona-Krise zusammengefunden haben, um den Schwächsten in unserer Gesellschaft Möglichkeiten zu schaffen, schnell und unbürokratisch Hilfe zu bekommen. Wir vermitteln nun die Kontakte entsprechend dem jeweiligen Bedarf. Nachbarschaftshilfe suchende Anrufer verweisen wir auf Gemeinschaft.Online, die dann entsprechend Hilfe schicken. Gemeinschaft.online wiederum vermitteln Menschen an uns, die einfach nur reden und Gespräche führen möchten.

Wer nimmt die Gespräche entgegen – und inwieweit sind Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult?

Alle MitarbeiterInnnen sind für die Gespräche und auch für die Gesprächsform gut vor-bereitet worden. Auch die jetzt neu Hinzugekommenen erhalten eine gute Einarbeitung und ein Mentoring. Darüber hinaus haben wir Supervisor/Innen, die sich um die Kolleginnen und Kollegen kümmern, damit sie das, was sie an den Gesprächen belasten könnte, auch einmal loswerden können und nicht mit nach Hause nehmen müssen.

Ich selbst sitze ab und zu am Telefon und nehme Gespräche entgegen. Dabei registriere ich, dass es neben einigen schlimmen, traurigen Geschichten wirklich viele Anrufer gibt, denen man anmerkt, dass sie nur Redebedürfnis haben nach dem Motto: Ich habe niemanden, mit dem ich reden kann, aber schön, dass Sie jetzt da sind.

Wie viele Menschen ungefähr haben bislang Gebrauch vom „Silbertelefon“ gemacht?

Kurz bevor wir die deutschlandweite Schaltung durchgeführt haben, konnten wir das insgesamt vierzehntausendste Gespräch am Silbertelefon verzeichnen. Dabei muss man berücksichtigen, dass auf jedes Gespräch noch mindestens ein weiterer Anruf kommt, der aus verschiedenen Gründen aber nicht bei uns landet. Entweder ist die Leitung besetzt, der Anrufer legt wieder auf oder ähnliches. Seitdem wir deutschlandweit erreichbar sind, haben sich ersten Statistiken zufolge die Gesprächszahlen jedoch verfünffacht.

Können Sie uns am Ende des Gesprächs sagen, in welcher Zeit und unter welcher Rufnummer das Silbertelefon erreichbar ist?

Alle Menschen in Deutschland, die in diesen schweren Zeiten alleine sind, sich isoliert fühlen und ein Gespräch suchen, können sich bei uns melden. Unser Angebot ist anonym, immer vertraulich und – darauf haben wir gesteigerten Wert gelegt – kostenlos für die Anrufenden. Das Silbertelefon ist täglich zwischen 8 und 22 Uhr unter der Rufnummer 0800 4 70 80 90 erreichbar. Die Telefonnummer ist einfach zu merken, denn die drei letzten Zifferngruppen entsprechen unserer Hauptzielgruppe: Menschen von 70, 80 oder 90 Jahren.

Foto: Gordon Welters

Elke Schilling wurde in Leipzig geboren. Vor rund 50 Jahren zog sie als junge Mathematikstudentin das erste Mal nach Berlin. Sie verliebte sich in die Stadt und beschloss bereits während ihres Studiums, das sie als Diplom-Mathematikerin abschloss, als Rentnerin wieder nach Berlin zu kommen. Über 22 Jahre arbeitete Elke Schilling als Programmiererin und Projektentwicklerin. Nach der Wende von 1989/90 wechselte sie für vier Jahre in die Politik und wurde Staatssekretärin für Frauenpolitik in Sachsen-Anhalt. Vor zehn Jahren erfüllte sie ihr selbst gegebenes Versprechen, kehrte nach Berlin zurück und engagierte sich dort als Vorsitzende der Seniorenvertretung Berlin-Mitte. Nachdem sie 2014 von der Silver Line in London erfahren hatte, einem Telefonangebot für ältere Menschen, gründete sie mit weiteren Aktiven in Berlin den Verein Silbernetz. Das Silbertelefon ist seit September 2018 in Betrieb.